von Sylvia Huggel und Ruth Wolfensberger

Im Sommer 1990 verbrachte Terence Turner sechs Wochen in Brasilien, um mit den Kayapo eine Video-Selbstdokumentation vorzubereiten. Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits einige Kayapo gelernt, mit der Kamera umzugehen. Die Kayapo Brasiliens (ge-Sprachfamilie, ca. 2600 Personen leben in sechs verschiedenen Ethnien vor allem im Gebiet des Xingu im ostbrasilianischen Bergland) sind in den letzten Jahren durch ihren bemerkenswert kühnen und erfolgreichen Kampf um ihr Land und ihre Rechte bekannt geworden. Audiovisuelle Medien spielten eine zentrale Rolle in den Aktionen der Kayapo - nicht nur in der üblichen Form von Filmen und Videos, die brasilianische und andere Fernsehcrews aufnahmen, sondern vor allem in Form von Video- und Tonbanddokumenten, die die Kayapo selbst aufzeichneten.

Für Terence Turner ist dies Anlaß, den Wert der audiovisuellen Medien für die Kayapo-Kultur und Politik, aber auch für die ethnologische Theorie und Praxis zu diskutieren. Die Kayapo unterteilen sich heute in 14 verschiedene Gruppen (communities), verstreut über ein Gebiet von etwa der Größe Englands.

Einige von ihnen stehen seit 40-50 Jahren “in friedlichem Kontakt mit den Brasilianern”, was ihnen das gleiche katastrophale Angebot von Epedemien, Landverlust und Abhängigkeit brachte, wie es auch andere amazonische Gruppen erlebten. Die Kayapo aber, sagt Turner, konnten ihre eigenen sozialen Institutionen und Zeremonien erhalten und lernten gleichzeitig mit neuen Technologien umzugehen. Sie kämpften um ihr Land und gewannen an Selbstbewußtsein. In dieser Zeit besuchten verschiedene EthnologInnen, JournalistInnen und andere Außenstehende die Kayapo. Sie wurden so vertraut mit Fotografie, Film, Tonband, Radio und Video. Schon 1970 besaßen die Kayapo einige Kassettenrekorder und nutzten sie, um ihre Zeremonien aufzunehmen oder Nachrichten von Dorf zu Dorf zu schicken.

1985 hatte eine Gruppe brasilianischer Forscher (u.a. Monica Feitosa und Renato Pereira) damit begonnen, einige Kayapo aus Gorotire und Mentuktire in der Handhabung von Videokameras zu instruieren. Als erste lernten Nhakaykep, eine junge Frau, und Kinhiabeti, ein junger Mann, mit Video umzugehen. Sie erhielten für ihren Ort eine Videokamera, einen Videorekorder und einen Monitor und lehrten andere Kayapo, z.B. Mokuka von A’ ukre, den Umgang mit Video.

Als Turner 1987 mit einem Granada TV- Team einen Film für die Reihe ‘Disappearing World’ drehte, gab er den Kayapo als Gegenleistung für ihre Kooperation ein weiteres Video-Set; 1989, während des zweiten Teils der Dreharbeiten, “bezahlte” Turner mit einer weiteren Kamera und einer Unzahl von Videobändern und Batterien.

Mittlerweile gibt es unter den Kayapo mehrere Videoexperten (-innen?), die einerseits das Medium einsetzen, um genaue Dokumentationen von Ritualen und Zeremonien aufzuzeichnen, d.h. Wissen zu dokumentieren und festzuhalten, andererseits demonstrieren sie damit auch die perfekte Beherrschung eine der wichtigsten westlichen Technologien. In diesem Spannungsbereich, sagt Turner, analysieren und konstruieren die Kayapo ihre Kultur und Identität (…) und erreichen einen Modus Vivendi mit der brasilianischen Gesellschaft.

Ein weiterer Teil des Videoprojektes war die Einrichtung eines Schnittplatzes, den die Kayapo selbst benutzen konnten. Die Lagerung der Videobänder war unter den klimatischen Verhältnissen im Regenwald außerst schwierig. Es drängte sich auf, auch ein klimatisiertes Videoarchiv einzurichten. 1990 konnte mit Unterstützung der Spencer Foundation im Centro de Trabalho Indeginista in Sao Paulo das Archiv und der Schnittplatz eingerichtet werden. Die Kayapo wurden mit der Technik vertraut gemacht, aber möglichst wenig bei ihrer Arbeit beeinflußt. Seit 1992 wurde auch ein tragbares Hi-8 Schnittgerät angeschafft.