Projektion und Repräsentation in Südseefilmen
Die Südsee! In europäischen und amerikanischen Köpfen steht dieser Begriff als Synonym für das weltliche Paradies schlechthin.
Seit Captain Cook und seine Mannschaft von ihrer Reise in den südlichen Pazifik zurückkehrten und wundersame Geschichten von traumhaft schönen Inseln und willigen weiblichen Schönheiten erzählten, haben westliche Schriftsteller und Maler das Bild von den tropischen Inseln und ihrer glücklichen, von modernen Einflüssen unverdorbenen Bewohnern aufgenommen und weiter ausgeschmückt.
1926 hat Robert Flaherty dieses Bild zum ersten Mal auf die Leinwand projeziert. In seinem auf ethnographischen Recherchen basierenden Docudrama MOANA: A ROMANCE OF THE GOLDEN AGE nimmt er alle Klischees auf. Hollywood folgt sehr schnell und produziert eine ganze Reihe von romantischen Spielfilmen vor einem tropischen Hintergrund. Die berühmte Liebesszene zwischen Deborrah Kerr und Burt Lancaster in FROM HERE TO ETERNITY (1953) am Strand von Halona Cove auf Hawaii liegt ganz in der Tradition des “Südsee-Genres”, in welchem sich Liebe, Sex und Drama mit Bildern von sanften Lagunen, stiebenden Wasserfällen und tosender Brandung verbinden. Zum “klassischen” Dekor gehören ein klarblauer Himmel, grüne Palmen und leuchtendrote Hibiskusblüten.
Gleichzeitig mit der Entstehung dieses exotischen Klischees von romantischer Schönheit begannen Schriftsteller wie zum Beispiel Robert Luis Stevenson und später James A. Michener die Pazifikinseln als Kampfgrund für weiße männliche Helden zu beschreiben. In MUTINY ON THE BOUNTY (1932) verwob Hollywood die zwei Themenstränge westlicher Projektion zu einem Plot und schuf damit eine Ikone.
Für Filmemacher generell, aber ganz speziell für Dokumentarfilmer ist es schwierig geworden ein Publikum mit Filmen aus der Südsee zu begeistern, deren Plots die Stereotypen “Romantische Schönheit” und “Weiße Heroen” nicht bedienen.
Einheimische Filmemacher dagegen sehen sich oft einem ganz anderen, entgegengesetzten Problem gegenüber. Die Tradition des Geschichtenerzählens ist auf den pazifischen Inseln sehr ausgeprägt. Die Filmemacher können hier für ihre Drehbücher aus dem Vollen schöpfen. Aber fast alle dieser Geschichten, Legenden und Mythen handeln von Liebe, Drama und, allerdings einheimischem, männlichen Heldentum. Und außerdem ist es sehr schwierig in diesem tropischen Setting Bilder von blauen Lagunen, leuchtenden Hibiskusblüten und eleganten Kokospalmen zu vermeiden. Für Zuschauer aus dem Pazifik ist das überhaupt kein Problem. Für sie hat dieses Setting nichts Exotisches an sich, sondern entspricht der täglichen Wirklichkeit. Sie können sich voll auf die Geschichte, die im Film erzählt wird, konzentrieren. Aber ein westliches Publikum lässt sich oft von der Szenerie so stark faszinieren, dass es beginnt, die Projektion eigener Stereotypen mit den Repräsentationen von soziokultureller Wirklichkeit im Film zu vermischen.
Im geplanten Workshop werden wir uns auf diese spezielle Problematik von “crosscultural visual communication” konzentrieren. Wir werden Themen wie die Frage nach den kulturellen Wurzeln unterschiedlicher Erzählformen, Rezeptionen und Repräsentationen aufgreifen. Wir werden außerdem diskutieren, wieviel Hintergrundinformationen es braucht, damit ein Film mit ethnographisch relevantem Inhalt über kulturelle Grenzen hinweg verstanden werden kann. Und wir werden offen sein für Fragen und Themen, die sich während des Workshops ergeben. Vorführungen von exemplarischen Filmausschnitten, kurze Vorträge und Diskussionen werden sich abwechseln.
Der Workshop richtet sich an Studierende und Interessierte mit einem Grundwissen in Visueller Anthropologie.
Gäste: Vilsoni Hereniko, Hawaii. Filmemacher aus Rotuma, Fiji. Autor des preisgekrönten Docudramas THE LAND HAS EYES und Jeannette Hereniko, Hawaii, Produzentin von THE LAND HAS EYES.
Organisation und Moderation: Barbara Lüem, Schweiz. Ethnologin und Media/Communication-Spezialistin mit Forschungserfahrungen in Tuvalu und Indonesien.