Entlang einer überwucherten Eisenbahnstrecke südlich von Kisangani entdeckt eine UN-Truppe verirrte Flüchtlinge: Es sind 80.000 (!) Hutus aus dem fernen Ruanda. Diese letzten Überlebenden haben drei Jahre lang das riesige Kongobecken durchstreift, von Hunger und bewaffneten Überfällen angetrieben. Der Film verfolgt ihren Weg tief in den Regenwald hinein und die hoffnungslosen Hilfsmaßnahmen. Wir sehen die Plätze, an denen es in der vorangegangenen Nacht zu Massakern gekommen ist. Niemand weiß, wer geschossen hat. Langsam trifft humanitäre Hilfe ein. Die Hutus wagen sich aus dem Dschungel und versammeln sich in zwei riesigen Auffanglagern (Kasese und Biaro). Auch wenn täglich Hunderte von Flüchtlingen an Unterernährung und Seuchen sterben, wächst wieder neue Hoffnung bei den Opfern des vergessenen Krieges: Man verspricht den Hutus, sie aus Kisangani auszufliegen.
Nur vier Wochen später werden die unbewachten UN-Flüchtlingslager wieder angegriffen und unter Maschinengewehrbeschuß genommen. Das Massaker wird von der ‘liberating rebel army’ der gegenwärtigen demokratischen Republik Kongo-Kinshasa initiiert. In der Nacht des 25. April 1997 werden 80.000 Männer, Frauen und Kinder entweder getötet oder sie verschwinden, ohne eine Spur zu hinterlassen, auf’s Neue in den Dschungel.
Zum politischen Hintergrund
Als der Präsident von Ruanda, ein Hutu, im April 1994 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, setzten extremistische Hutus ihren Plan durch, die Tutsi-Minderheit im Lande zu eliminieren. Innerhalb weniger Wochen töteten sie mindestens eine halbe Million Menschen, darunter Tutsi, moderate Hutu und Twa. Dann kehrte die Patriotische Front Ruandas aus ugandischem Exil wieder zurück, was Millionen von Hutus aus Angst vor Rache zur Flucht nach Tansania und Zaire veranlaßte. In Goma in Ost-Zaire entstand darauf das größte Flüchtlingslager der Welt. 1995 kehrten die Hutu vor laufenden Fernsehkameras wieder in ihre Heimat zurück. Der UN-Mitarbeiter Colonel Barril Maurice bestätigte, daß sich in Zaire keine Flüchtlinge mehr aufhielten.
Doch man hatte die 300.000 Menschen vergessen, die sich weiter westlich in den tropischen Regenwald geflüchtet hatten. Erst zwei Jahre später tauchten die wenigen Überlebenden der ‘vergessenen Flüchtlinge’ tausend Kilometer von ihrer Heimat entfernt wieder auf. Truppen der UN entdeckten die entlang einer überwachsenen Eisenbahnstrecke dahinsiechenden Flüchtlinge. ‘Kisangani Diary’ beginnt an diesem Tag, einen Tag vor Ostern 1997.
»Naiv genug, in ein Land zu reisen in dem Bürgerkrieg herrscht, wollte ich einen Dokumentarfilm über Flüchtlinge drehen. Ich wollte wissen, was es heißt, auf der Flucht zu sein; ich wollte ihre Geschichte von der Flucht und dem Elend hören. Ich hatte bereits seit einigen Jahren herumziehende Menschen, Migranten und entwurzelte Menschen gefilmt, wie z.B. fahrende Künstler, Zirkusleute oder Zigeuner; das war für mich als Filmemacher ein Thema von besonderem Interesse, vielleicht weil Entwurzelung und Exil unsere Zeit bestimmen. Doch ich war nicht im mindesten auf das vorbereitet, was dann passierte.« (Hubert Sauper)
Hubert Sauper wurde am 25. Juli 1966 in Kitzbühl/Österreich geboren. Nach einer fünfjährigen Hotelfachausbildung begann er 1988 ein Studium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Wien, Film. Seit 1995 lebt er in Frankreich.
WER FÜRCHTET SICH VOR DEM SCHWARZEN MANN? (1988); MAX; ERA MAX (1989); DER BLASI (1990);
PIRATEN IN Ö (199); THE SOLUTIONS AT SCHÖNBRUNN; ICH HABE DIE ANGENEHME AUFGABE (1993); ALSO SCHLAFWANDLE ICH AM HELLICHTEN TAGE (1994); MES AMIS DE NULLE PART (1996);