“Männer sind nicht wie wir Frauen, unsere Narben sind nicht die gleichen”, sagt Saha, deren Mutter zusammen mit drei anderen Mit-Ehe-frauen hinter verschlossenen Türen lebt. An seinen Aufstieg zum ‘chef de canton’ war für ihren Ehemann die Pflicht geknüpft, seinen Frauen die Freiheit zu nehmen: in Niger beweisen Männer von hoher sozialer Stellung ihre Würde dadurch, daß sie sich am Beispiel der großen islamischen Führer orientieren. Mit Hilfe von Unterhändlern können die eingesperrten Frauen auf eigene Rechnung ihren bescheidenen Geschäften weiter nachgehen und so am sozialen Leben teilnehmen, von dem sie ansonsten ausgeschlossen sind. Sie weigern sich jedoch, die Ernährung der Familie zu finanzieren, für die allein der Ehemann verantwortlich ist. Der Verwalter - Stellvertreter des Hausherrn im Harem - ist das Opfer permanenter Sticheleien. Der Groll der Frauen wächst, als eine fünfte, sehr junge Ehefrau hinzukommt, der gestattet wird, in einem anderen Dorf, nicht weit vom Harem entfernt, zu leben Eliane de Latour, Filmemacherin und Ethnologin, hat neun Wochen zusammen mit den Frauen hinter den Mauern des Harems verbracht.
Eliane de Latour über ihren Film:
Als Ethnologin beschäftige ich mich seit den 70er Jahren mit der ökonomischen Geschichte der Frauen in Afrika. So entdeckte ich das rege Geschäftsleben, das hinter den Mauern verborgen stattfindet. Mein erster Film LE TEMPS DU POUVOIR (1983-1985 währenddes Filmforums in Freiburg gezeigt) handelt von Samna, einem Chef des Tibiri-Districts, zu dem ich eine freundschaftliche und vertrauensvolle Beziehung unterhalte. Damals hatte ich einige Szenen im Harem seiner Frauen gedreht, in dem der Handel blühte. Später erteilte Samna mir die Erlaubnis, das Thema weiterzuentwickeln - weil es hieß, daß dieser Film niemals in Niger gezeigt werden würde.
Im Zusammenhang mit der Krise, von der das ganze Land betroffen ist, wurden die Aktivitäten der Frauen so sehr eingeschränkt, daß ich zeitweise befürchten mußte, den Film nicht machen zu können. Aber gerade diese Angst schärfte meinen Blick für die Kleinigkeiten, für die kleinen Ereignisse, die sich am Ende zu einer Geschichte verbinden. Beiden Geschäften geht es um drei Paprikaschoten oder zehn Pfannkuchen, die täglichen Einnahmen betragen 1 Franc; ein heftiger Streit entsteht wegen eines Zwischenhändlers, der 1,50 Franc verloren hat: Wirtschaftsleben ‘en miniature’, in dem nicht Profit, Leistung oder Reichtum zählt, sondern menschliche Bindung und die innere Kraft, mit der gegen Abstumpfung und Sinnlosigkeit gekämpft wird. Dieser Handel mit vier Pfenningen setzt Energien frei, bringt Waren in Umlauf, bewirkt ein Kommen und Gehen - macht das Leben aus.
Über die Dreharbeiten:
Neun Wochen lang (die Zeit in Niamey nicht mitgerechnet) lebte ich mit meinen Freundinnen zusammen. Zum Bild: Auf der Matte sitzend, die Kamera immer neben mir, plauderte und beobachtete ich, nahm Anteil, und sobald mich ein Gespräch interessierte, verfolgte ich es mit dem Auge am Sucher. Was passierte, hing ganz vom jeweiligen Tag ab. Es gab keinen Unterschied zwischen den Momenten, in denen ich filmte, und jenen, in denen ich einfach nur zuhörte.
Oft bat ich darum, mir dies oder jenes zu erklären, und genauso stellten mir die Frauen Fragen zu meiner Familie, meinen Lieben, meinem Zuhause, meinem Land. Die drei großen Abschnitte über die Eifersucht ergaben sich unmittelbar aus dem Moment, aus der Spontaneität unseres Austausches.
Zum Ton: Allein zu drehen war unmöglich; aber weder gelang es mir eine Frau für die Tonaufnahmen in Niger zu finden, noch konnte ich jemanden aus Frankreich auftreiben, der die eintönigen Tage in der Klausur verstanden oder auch nur ertragen hätte - vom Essen ganz zu schweigen. Deshalb bat ich um die Erlaubnis, einen männlichen Tontechniker mitbringen zu dürfen, der bereit war, zusammen mit seinen ‘Abhängigen’ anzureisen - das heißt mit seinen ‘yara’, seinen Kindern. Ich entschied mich für einen Tontechniker des landeseigenen Fernsehens. Lardia stand auf unserem Hof unter meinem Schutz. Das hat ihn aber keinesfalls beruhigt, er fühlte sich die ganze Zeit unwohl und fehl am Platz.
(23. Intern. Forum des Jungen Films, Berlin 1993)
Eliane de Latour, Filmemacherin und Ethnologin, Forscherin am CNRS Paris; Lehrtätigkeit an der Universität. Seit 1984 dreht sie Filme: 1984 LES TEMPS DU POUVOIR 1989 TIDJANE OU LES VOIES D’ALLAH LA REFLET DE LA VIE 1993 CONTES ET COMPTES DE LA COUR