PHOTO WALLAHS erkundet die kulturelle und persönliche Bedeutung von Fotografien anhand der Begegnung mit der Fotografie in einem Bergdorf Nord-Indiens. Die’photowallahs’ sind die einheimischen Fotografen von Mus-soorie, einem Ort im Vorgebirge des Himalaya, das einst wohlhabende indische Prinzen und britische Gesandte anzog, heute aber vor allem von Touristen aus der indischen Mittelschicht besucht wird. Mittels der Fotografen und deren Kunden, einheimischen Besitzern alter Fotografien und dieser Fotografien selbst zeigt der Film das Metier als Kunst und als Geschäft, als Medium der Phantasie, der Realität, der Erinnerung und des Verlangens.
David MacDougall über den Film:
Der Film wurde aus der Faszination für Fotografie geboren.. Anfangs wollten wir nur einige Ideen über die Fotografie untersuchen - welche persönliche Bedeutung Fotografien für die Menschen haben, wie sie gesellschaftliche Belange reflektieren, wie die Menschen sie benutzen, um ihre Identität zu festigen.… Wir waren von der Idee, in Indien zu drehen, sehr angetan, weil wir das ganze Umfeld visueller Symbolik und die dort praktizierten Techniken des Fotografierens außerordentlich ergiebig fanden. Obwohl die Geschichte (der Fotografie in Indien) sehr interessant ist, wollten wir uns mehr darauf konzentrieren, den aktuellen Umgang mit Fotografie in Indien zu filmen. Zum Beispiel sind Inder aus der Mittelschicht seit langem in Fotoateliers gegangen, aber erst neuerdings haben sie ihre eigenen Kameras. Viele indische Landbewohner sind vielleicht erst einmal in ihrem Leben fotografiert worden. Für sie ist ein Foto von sich selbst oder einer geliebten Person noch immer etwas besonderes. Außerdem vermischt sich in Indien die Fotografie mit anderen Arten der Bildkunst, sowie sich die Volkskunst mit der klassischen Kunst verbindet, und das Weltliche mit dem Religiösen.
Es gibt hier nicht die scharfe Trennlinie, die im Westen die Fotografie von der Malerei und anderen Arten visueller Darstellung unterscheidet. In der Hindi-Sprache wird oft dasselbe Wort für ein Foto wie für ein Bild benutzt, und Bilder werden manchmal als ‘Fotos ‘bezeichnet. Das weist uns auf den Unterschied zwischen der indischen Auffassung von Fotografie als einer Art Ikone und unserem westlichen indexikalischen Verständnis davon - unsere Tendenz, Fotografien anekdotenhaft in Bezug zu bestimmten Momenten im Leben der Menschen zu sehen. Der Film soll auf verschiedenen Ebenen wirken, und nur auf einer davon kann er unserer Ansicht nach ethnographisch genannt werden. Zuerst einmal und vielleicht vor allem, ist dies ein Film über die Vielfalt der Bedeutungen, die Fotos für Menschen haben können, und das betrifft viele Kulturen. Es gibt bezeichnende Unterschiede zwischen Fotografie in Indien und anderswo, aber es ist wichtig sie nicht überzubewerten. Es wäre falsch, indische Kultur wie auch indische Fotografie als isoliertes und einförmiges Phänomen zu betrachten. Fotografische Stilvarianten, die charakteristisch für Indien zu sein scheinen, kann man auch im Westen finden, und sicherlich beeinflußt der westliche Stil die indische Fotografie.…
(aus: 22. Intern. Forum des jungen Films, Berlin 1992)
Judith Ann MacDougall, geb. 1938 in den USA. Studierte Kunst am Beloit College in Wisconsin. Von 1961-63 an der Iowa State Universitär und von 63-64 an der University California in LA. Danach studierte sie Film und promovierte 1969an der UCLA. Seit 1975 ist sie Filmemacherin am Australian Institute of Aboriginal Studies.
David Cooke MacDougall, geb 1938 in den USA. Studierte Englische Literatur an der Harvard University, promovierte 1969 an der University of California. Er ist Autor zahlreicher Artikel über ethnographische und dokumentarische Filme. Seit 1975 Leiterder Filmabteilung am Australian Institute of Aboriginal Studies. Nahezu bei allen Filmen arbeitete das Ehepaar MacDougall zusammen.
Eine Auswahl der Filme: NAWI, 1968-70; TO LIVE WITH HERDS, 1968-73; GOOD-BYE OLD MAN, 1970; FAMILIAR PLACES, 1980; THE HOUSE-OPENING, 1980; A WIFE AMONG WIVES, 1974-1981; THREE HORSEMEN, 1982; PHOTO WALLAHS, 1991