Die Inselwelt im südlichen Pazifik, von Neuseeland bis Neuguinea, zieht seit ihrer Entdeckung Abenteurer, Missionare, Ethnologen und Touristen an. Sie alle suchen und finden Bilder, die sie bereits zu kennen glauben. Diese klischeehaften Projektionen wurden von den Erwartungen und Erfahrungen der Entdecker und nachfolgenden Kolonisatoren geprägt und sind keineswegs immer nur paradiesisch. Die idyllische Südsee Palmen, blaue Lagunen, schöne Frauen und freie Liebe -, von der Captain Cook und seine Mannen berichteten und wie sie bis heute von Malern, Reiseschriftstellern und Hollywood porträtiert wird, hat so wohl nie existiert und wird von ihren Bewunderern auch nur auf den kleinen Inseln im polynesischen Dreieck vermutet. Die Maori in Aotearoa, den Inseln Neuseelands, sind den Entdeckern nicht freudig entgegengeschwommen, sondern haben sich gegen die eindringenden Siedler verteidigt. Seither haftet ihnen das Klischee eines aggressiven Volkes an, ein Bild, dessen sie sich im Ringen um die eigene Identität heute allerdings auch selbst bedienen.
Die Bewohner Melanesiens, insbesondere Neuguineas, Vanuatus und der Solomonen entsprachen, anders als die Polynesier, nicht dem europäischen Schönheitsideal und werden bis heute im westlichen Bewusstsein mit der europäischen Steinzeit, mit Kannibalismus und Stammeskriegen in Verbindung gebracht. Während der Kolonialzeit, die für die meisten Pazifikstaaten erst 1978 endete und für den französischen Einflussbereich zum Teil noch andauert, hatten die Einheimischen wenig Möglichkeiten, diese Klischees zu durchbrechen und durch eigene Repräsentationen zu ersetzen. Ihnen fehlte der Zugang zu den globalen Medien. Ein erster Durchbruch gelang mit dem Entstehen einer englischsprachigen Pazifikliteratur. Die “Creative Writing Courses” an der “University of the South Pacific” in Suva Fiji spielten dabei eine wichtige Rolle. Es entstanden Kurzgeschichten und Theaterstücke zu einheimischen Themen und die Publikationen fanden ihren Weg in die “English Departments” westlicher Universitäten. Indigene Darsteller spielten ihre Rollen zuerst im Theater und dann erst im Film. So kommt es nicht von ungefähr, dass die zwei Filmemacher und die Filmemacherin mit polynesischen Wurzeln, die in unserem Programm vertreten sind, über die Schriftstellerei und die Schauspielkunst zu ihrem heutigen Ausdrucksmedium, dem Film gekommen sind. Dass sie dabei ein etwas anderes Bild von den Realitäten ihrer Lebenswelt zeichnen, als wir vielleicht erwarten, darf nicht erstaunen.
Die Filmauswahl in unserem Programmschwerpunkt versucht den Bogen sowohl geographisch als auch historisch und inhaltlich soweit wie möglich zu spannen: von Robert Flaherty’s Klassiker MOANA vom Beginn des letzten Jahrhunderts über eine australische TV-Produktion zum samoanischen Gender-Verständnis bis zu den neuesten Ethnofilmen aus Neuguinea, in denen Einheimische und Ethnologen über ihre Situation in der postkolonialen, globalisierten Welt philosophieren.
Barbara Lüem