von Pierre Haffner

Aus mancherlei Gründen setzt uns heute Afrika in Schrecken - das afrikanische Kino dagegen erfreut uns zusehends. Wir sind vielleicht in manchen Fällen im Unrecht, wenn wir um die zum Teil tödlichen Auswirkungen der jungen Demokratien in Afrika wissen und gleichzeitig die auch bei uns mehr und mehr auftauchenden afrikanischen Filme mit einer perfekten Technik sehen.

Die Reihe mit Filmen zum Thema ‘Zaire / Kongo’, die während des 5. FILFMORUMS zu sehen sind, mag in dieser Hinsicht sehr lehrreich sein. Zum einen, weil Zaire durch seinen faszinierenden Reichtum - sein Gold, die Diamanten, das Kupfer - als die Inkarnation Afrikas gelten kann (ganz zu schweigen von Tarzan, dessen Abenteuer im ehemaligen belgischen Kongo gedreht wurden). Zum anderen, weil die blutige Geschichte des Landes, die sich spiralförmig seit der Unabhängigkeit entwickelte, als Parabel anzusehen ist (wunderbar erzählt von Aubert Mukendi in seiner Leopardenmütze in Thierry Michels Film ZAIRE-LE CYCLE DU SERPENT).. Auch Raoul Peck, in Zaire geboren und in Haiti aufgewachsen, erzählt die blutige und hoffnungslose Geschichte des Landes in seinem Film LUMUMBA - LAMORT DU PROPHETE. Sein Film folgt den Spuren Patrice Lumumbas in einem Labyrinth persönlicher Vorstellungen und der Realitäten, ganz so, als ob manche Tote das Privileg besäßen weniger tot zu sein als andere. Pecks Sensibilität und Wissen um das Land, dem sein Herz gehört, schaffen ein poetisches Werk, das quasi ins Innere der Spirale führt- im Angesicht eines beunruhigenden Monsters: der Geschichte, dem Vergessen, dem Unglück.

Soweit zur Geschichte, zur Vergangenheit, die nach wie vor die Gegenwart bestimmt, einem Wirbelsturm gleich, der zu allen Zeiten wütete. MIZIKE MAMA, ein Film über das Leben der ‘Zap Mamas läßt uns ahnen, daß trotz der Gewehrkugeln die Bäume Früchte tragen und die Blumen jeglicher Couleur sprießen. Das Leben der Frauen, die sich in der Musikgruppe ‘Zap Mama’ zu-sammenfanden, beginnt im Unglück: Der Vater von Marie Daulne, der Gründerin der Gruppe, ein belgischer Ingenieur wird während der Aufstände um die Unabhängigkeit des Landes getötet, die kongolesische Mutter strandet mit ihren Kindern in Belgien. Die Geschichte beiseite lassend, auf der Suche nach dem, was noch nicht zerstört wurde, findet Marie Daulne den großartigen Schatz einer traditionellen Musikkultur Zaires. Dieses Wissen um die Traditionen von ihrer Mutter weitergegeben, wird zu einer lebendigen Kunst, die in Belgien mit anderen Musikkulturen zusammentrifft: der Musik aus Arabien, des Orients oder der Musikkulturen Europas. Ganz so, als ob man in der Tiefe des Abgrunds Licht sieht…

Ich kenne wenig Filme,die fröhlicher sind als MIZIKE MAMA. Die Suche dieses Dokumentarfilms endet nicht an den Mauern, die Raoul Pecks Recherche begrenzen. Vielleicht weil für den haitianischen Filmemacher der Kreis sich endgültig geschlossen hat während der kreative Prozeß der ‘Zap Mamas’ ständig neue Grenzen entdeckt.

Von ähnlichen Erfahrungen, nach wie vor im Bereich der Musik, dieses Mal in einer weniger persönlichen Form und nicht nur auf Zaire bezogen, spricht auch der zairische Filmemacher Mweze Ngangura in seinem Film CHANGA-CHANGA. LAVIE EST BELLE, ein Spielfilm des gleichen Regisseurs, lüftet das Geheimnis eines Afrika, dieses Mal wieder Zaire, das nicht nur die Misere und das Unglück von Hunger und Arbeitslosigkeit kennt: ein Film über das ‘Sich-Durschlagen’, über die Einsamkeit, über die Kraft des Überlebens, die von einer Musik gespeist wird, die die ganze Welt tanzen läßt. Eine Musik, die einem zu verstehen gibt, daß die giftigsten Reptilien und die unheilvollsten Kräfte nicht so einfach obsiegen… 

Das tägliche Leben der Menschen, die Musik und die Malerei sind auch Themen von CHERI SAMBA - der Name eines zairischen Malers, der zum Programm geworden ist. ‘Cheri’ (der Frauen?) und seine Bilder stellen teils bissig, teils humoristisch eine Gesellschaft in Frage, die sich in Kinshasa eine wahnsinnige und delirierende Hauptstadt geschaffen hat. 

So schließt sich denn der Kreis zwischen dem Schrecken und der Freude, zwischen Kinshasa und Freiburg. (Übersetzung: Werner Kobe)