QINGTHE NEWSPAPER MAN

In einem hauptsächlich von Angehörigen der Yunnan University bewohnten Siedlungsgebiet im nordöstlichen Randbezirk Kunmings (Jiang An Community) finden regelmäßig »folk performances« statt (folk songs, Yunnan Oper – oder die so genannte Huadeng Oper). Unter den Zuschauern sind überwiegend »migrant worker« aus einer durch einen Fluss getrennten, angrenzenden dörflichen Siedlung. Dies führte Yi Sicheng zu der Idee, sich mit den Konzepten »symbolic structure of public space«, »migrant population« oder »floating population«, – alles Themen der Urban Anthropology in China, die auch zunehmend von Vertretern der sozialwissenschaftlich orientierten ChinaStudies aufgenommen werden – zu beschäftigen.

Yi Sicheng fand in der Person von Qing Baohua seinen idealen Protagonisten. Der Film dokumentiert einen ganz normalen Tag im Leben von Qing Baohua und stellt die beiden Seiten seiner Persönlichkeit dar. Denn einerseits arbeitet er als Zeitungsverkäufer, eine in China heute als sehr niedrig angesehene Tätigkeit ohne jedes soziale Prestige, andererseits bringt er den während seiner beruflichen Tätigkeit unterdrückten schauspielerischen Anteil seiner Persönlichkeit später im Laufe diverser »folk performances« voll zur Geltung. Der Zuschauer nimmt, vermittelt durch das Auge der Kamera, an dieser Persönlichkeitswandlung teil, die immer wieder von neuem geschieht, sobald Qing Baohua vor einem Publikum in seine unterschiedlichen Rollen schlüpft. Die Gespräche, die Qing mit seiner Geliebten führt, während er auf Suche nach Käufern für seine Zeitungen ist, weisen drastisch auf die schwierige soziale Lage der beiden hin. Genauso wie man den Inhalt der »folk performances« zwischen den Zeilen lesen muss, denn nur dort – unter der harmonischen Oberfläche versteckt – entdeckt man die subversive Energie der »low culture«.

Yi Sichengs Film lässt sich als verklausulierte Kritik an den, im heutigen China vielfach herrschenden, schwierigen sozialen und persönlichen Lebensumständen lesen.

Yi Sicheng ist 23 Jahre alt. Er studierte chinesische Sprache und Kultur, jetzt Visuelle Anthropologie an der Yunnan University.

NO MORE BOUND FEET

Es war Chen Xuelis und Li Jianqings Idee, mit ihrem Film die derzeitige soziale und ökonomische Situation auf dem Lande in China zu dokumentieren. Hierzu konzentrierten sie sich hauptsächlich auf die saisonalen Arbeiten in Chen Xuelis Heimatdorf, Xiangshuiba, im Kreis Lulian, Yunnan. Die Haupterwerbstätigkeiten in diesem, von geographischen Umständen begünstigten Dorf – es liegt genau an einer Flussbiegung des Persflusses (Zhujiang) – sind das saisonale Sammeln von Pilzen, der Fischfang und das Ausbaggern von Flusssand, der heute in China dringend zur Zementherstellung gebraucht wird und starke Abnahme findet. Das Sammeln von Pilzen wird von Frauen erledigt, während die Männer meist fischen. Das Ausbaggern und Abtransportieren des Sands wird von beiden Geschlechtern gemeinsam ausgeübt.

Um jedoch die Geschlechterverhältnisse und vor allem die soziale Rolle und den Status der jüngeren und älteren Frauen in dieser dörflichen Gesellschaft besser zu beschreiben, entschieden sich Chen Xueli und Li Jianqing, eine Hochzeit, die in Chen Xuelis Familie stattfand, zu dokumentieren und ein Portrait der weiblichen Dorfbevölkerung zu zeichnen. Sowohl die Geschlechterpositionen wie die Geschlechterbeziehungen beginnen sich im heutigen China langsam zu wandeln, trotzdem ist gerade in letzter Zeit die Rolle der jüngeren Frauen auf dem Lande äußerst prekär. Angezogen von den Verlockungen der Großstädte und immer noch eingebunden in traditionelle Verhaltens- und Denkmuster, sind diese Frauen psychisch sehr unter Druck geraten.

Chen Xueli (24) und Li Jianqing (23) studieren Visuelle Anthropologie an der Yunnan Universität.

LA TROPICAL

Havanna. Während die Touristen in überteuerten Strandhotels nur sentimentale Kuba-Folklore zu hören bekommen, gehen die Einheimischen ins La Tropical. Generationen schwarzer Kubaner haben hier schon die Nächte durchgetanzt, gesungen und la vida loca gefeiert. Son, Rumba, Timba und Salsa – hier müssen die heißesten und ehrgeizigsten neuen Bands ihr Können vor einem riesigen Publikum beweisen. David Turnley zeigt das Leben vor und hinter der Bühne, stellt Impresarios, Cabaret-Tänzer oder Top-Stars wie den charismatischen Leadsänger von LosVanVan vor, porträtiert sie und ihre Fans, für die es ein Leben ohne La Tropical nicht gibt. 

David Turnley ist 1956 in Fort Wayne, Indiana geboren. Von 1980 bis 1988 war er Fotograf für die Detroit Free Press, 1985 bis 1997 in Südafrika und Paris. 1997/98 Filmstudium in Harvard, von da an auch Dokumentarfilme. Seit 1999 Geschäftsführer und ausführender Produzent bei Corbis Documentaries. Pulitzer-Preis für Fotografie 1980, Emmy Nominierung für THE DALAI LAMA: AT HOME IN EXILE (2001).

ANANAMOTHER

Von ihrem Vater verlassen, wurde Vivi Kunuk von der Inuk-Familie ihrer Mutter adoptiert, die sie wie einen Jungen erzog. Das ist aber nur ein bemerkenswertes Kapitel aus ihrem
Leben. Mit ihrem Ehemann Enuki zog sie elf Kinder auf, darunter auch Zacharias Kanuk, den preisgekrönten Filmemacher. Sie lebt überwiegend auf dem Land, wie ihre nomadischen Vorfahren - bevor die staatlichen Siedlungen in den 50er Jahren gebaut wurden. Von ihren Enkeln umgeben erzählt sie Geschichten von jenem Land, das sie sehr genau kennt, und von ihrem Lebensschicksal auf Baffin Island. In ihrer Geschichte spiegeln sich die historischen Veränderungsprozesse, die die Inuits in den vergangenen 60 Jahren durchgemacht haben. Vivi Kunuk - eine ganz gewöhnliche Frau mit einem außergewöhnlichen Leben.