NAUA HUNI - INDIANERBLICK AUF DIE ANDERE WELT

Wenn das Selbstbild zum Fremdbild wird: Amazonien 1980. Man stelle sich vor, inmitten des Urwalds tauchen Bilder des deutschen Alltagslebens auf: in Bergwerken und Fabriken arbeitende Männer, die bunten Tapeten der damaligen Zeit, die klassische Familie mit zwei Kindern. Welcher Eindruck entsteht von uns? Und welche Vorstellung bekommen die Huni Kuin vom Leben der „Weißen“, den Besitzern des Metalls, den „Reichen“? Schon ihr Schöpfungsmythos setzt sich mit der Thematik des Fremden, der Kategorisierung der Menschheit und der Differenzierung in Völker auseinander. Lebhafte Vorstellungen von „uns“ und den „anderen“ sind in ihrer Kultur verankert. Nach langjährigen Feldforschungen im peruanischen Amazonas-Gebiet hat die Regisseurin Barbara Keifenheim die Indigenen mit einem Film über das deutsche Großstadtleben konfrontiert – die vielfältigen Reaktionen des peruanischen Publikums sind eine wahre Bereicherung. Sie ermöglichen einen unverstellten Blick auf unsere Kultur und lassen erahnen, warum die doppelte Bedeutung des Wortes „naua huni“ – weißer Mann und Halluzination – kein Zufall ist. 

Barbara Keifenheim, Anthropologin und Filmemacherin. Feldforschungen im peruanischen Amazonasgebiet, Lehrtätigkeit in Europa und China. Sie arbeitet heute als Professorin für visuelle Anthropologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder).

Naua Huni

Die Amazonasindianer Huni Kuin, die noch nie einen Film gesehen hatten, konfrontieren sich hier mit Filmbildern aus dem Ruhrgebiet der Heimat der Autorin. Diese wurde zu einem mächtigen Auslöser, uns ihr Bild vom weißen Mann zu vermitteln. Andererseits tauchen durch die Kommentare wichtige Fragen an das Medium Film auf, nicht zuletzt die immer neue Frage nach dem Realitätsbezug von Filmbildern. Die Huni Kuin bringen eine überraschende Dimension in die Diskussion, wenn sie eine Parallele zwischen Filmbildern und Drogenvisionen ziehen: “Wenn wir Drogen nehmen erbrechen wir die übermächtigen Bilder. Das ist mit Filmbildern nicht möglich. Deshalb machen sie krank…” (Festival Katalog 1985)

Seit Kape dem Krokodil… Geschichte auf indianisch

Dieser Film wurde In dem Kashinawa-Dorf Balta an der peruanisch-brasilianischen Grenze gedreht. Die Kashinawa haben seit jeher Tauschkontakte mit den Weißen, ziehen es aber bewusst vor, sich in großer Distanz zu halten, um ihre traditionellen Lebensbedingungen zu bewahren. Sie tauschen Felle, die für ihre Wirtschaft keine Rolle spielen, gegen Kleidung, Äxte und Macheten. Andere Objekte, die sie in Abhängigkeit bringen würden, lehnen sie ab.

Nach der definitiven Spaltung der Menschheit in Weiße und Indianer, so erklärt der Mythos von “Kape dem Krokodil”, sind die Weißen die Herren des Metalls geworden und die Indianer, denen das Metall zur Herstellung brauchbarer Werkzeuge fehlt, sind von seinem Glanz geblendet. Diese Faszination führt die Kashinawa dazu, in zyklischer Wiederholung ein friedliches Zusammenleben mit den Weißen zu versuchen. Aber jedes Mal scheitert der Versuch und endet damit, dass die Kashinawa die Weißen umbringen, um sich dann für einige Jahrzehnte in den tiefsten Urwald zurückzuziehen… bis ein neuer Versuch lockt… (Festival Katalog 1985)