DIE DA LAUFEN

DIE BILDER DER AHNEN KEHREN ZURÜCK NACH TANSANIA 

Die Filmemacherin zeigt den Hadzabe, einem ostafrikanischen Nomadenvolk, die Filmaufnahmen und Fotos, die Margit und Ludwig Kohl-Larsen in den 30er Jahren von ihren Vorfahren machten. Dies ist der Ausgangspunkt für Gespräche über Familiengeschichten und den Alltag damals und heute. So erzählt der junge Jäger Salehe, warum es gut ist, dass die Kinder heute in eine Internatsschule gehen, rechnen, schreiben und Kisuaheli lernen. Warum man sich über die Besuche der Touristen freut und ärgert zugleich. Und dass es schwierig ist, heute zu überleben.

Annette Wagner zur Entstehungsgeschichte des Projektes 

»Es ist im Zusammenhang mit dem Film »Die da laufen…« gefragt worden, ob ich das Fragwürdige an Ludwig Kohl-Larsen vertuschen wollte. Die Antwort lautet: Nein. Den Blick der Hadzabe für meine Filme zu wählen, war eine bewusste Entscheidung in Kenntnis der historischen Hintergründe. Eine Entscheidung, über die man diskutieren kann. Zwei Fragen hatten mich sofort beschäftigt, als ich 1997 über diese eindrucksvollen, archaischen Fotos und Filme aus den 30er Jahren stolperte. Wie leben die Jäger und Sammlerinnen heute in der Dornbuschsteppe Tansanias? Und auch das Forscher-Ehepaar Ludwig und Margit Kohl-Larsen interessierte mich anfangs sehr. Zunächst prüfte ich das aufgefundene Film- und Fotomaterial auf seinen »Blick«, auf seine Haltung hin: Entscheidend für die (Wieder)Verwendung der historischen Bilder innerhalb eines gegenwärtigen Dokumentarfilm-Projektes war für mich, ob Kohl-Larsen die Hadzabe herablassend oder gar herabwürdigend zeigte. Ich kam zu dem Schluss, dass nein. Was ich sah, waren ethnologische Dokumente eines Forschers, der seinen Gegenübern mit Respekt begegnete.

Kohl-Larsens Schriften indes zeigten ihn als zwiespältige Figur: Hier die offiziellen Aufsätze mit teilweise rassistischen Inhalten – dort die Expeditonsschriften und Tagebücher, in denen er mit großer Neugier und menschlichem Interesse und immer wieder staunend vor den Hadzabe stand. Der schillernde deutsche Forscher wäre ohne Zweifel ein interessanter Stoff gewesen. Aber mein Film-Projekt nahm einen anderen Verlauf: Kohl-Larsen trat in den Hintergrund, weil bei der Vorrecherchereise im Sommer 1999 klar wurde: Die alten Hadzabe erinnerten sich kaum an den »weißen Mann mit der Pfeife und dem Hut« und an »Mama Kohl-Larsen«. »Er war ein guter Mann, er hat uns nicht schlecht behandelt. Er hat immer Tiere für uns geschossen, mit seinem Gewehr.« Dokumentarisch zu arbeiten, heißt für mich: der Spur dessen zu folgen, was man vorfindet und auf diesem Weg die eigenen Fragestellungen zu überprüfen, gegebenenfalls zu ändern. Mein Interesse hat sich angesichts dessen, was ich in Tansania vorfand, verlagert. Ich wollte nicht mehr deutsche Geschichte und deren Fragen nach Afrika importieren, sondern ich wollte mir die afrikanischen Geschichten anhören. Wollte die Geschichte der Hadzabe erzählen. So geschehen in »Die da laufen…« – Die Bilder der Ahnen kehren zurück nach Tansania«. Und ich wollte den Alltag und den Überlebenskampf der Jäger und Sammlerinnen portraitieren. So entstand »Hadzabe heißt wir Menschen. Die letzten Jäger und Sammler in Tansania.«

Annette Wagner, geb. 1964, studierte Rhetorik und Volkskunde in Tübingen und arbeitet als Journalistin und Filmemacherin. Filme: UNSER SEE ERZÄHLTDER ATITLANSEE IN GUATEMALA (1997); VOM LIEBEVOLLEN UMGANG MIT VERRÜCKTEN ALTEN (1999); DER FRÜHE DES STARKEN GESCHLECHTS (1999).