Violence is to charge 600 Euros - Public Land I

In den politischen Kämpfen von 2011 bis 2015 wird vor allem ein Slogan immer wieder auf die Wände Athens, Istanbuls und Madrids gesprayt: Wacht auf! Als Essay und Collage zeigt der Film Antworten im öffentlichen Raum auf eine Politik, die unter anderem zu Wohnungsmieten von 600 Euro in Betonblocks führt. Graffiti als Protestform wird dargestellt und vorgetragen wie auf einer Lesung und somit zu Reflektion und Vorwurf an die Öffentlichkeit.
Welche Öffentlichkeit und welcher öffentliche Raum -Welche Bilder, Sprache und Erzählung nutzen wir, um die Welt um uns herum zu verändern?

Violence is to charge 600 Euros - Public Land II

Schlagzeilen über die ökonomische und soziale Krise sowie den Mangel an Solidarität verkaufen sich nicht mehr: ihnen wird im öffentlichen Diskurs keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt. Der zweite Teil von Elena Friedrichs Reihe Public Land untersucht die Machtstrukturen, denen die Öffentlichkeit unterliegt, zwischen Information und Manipulation, Repräsentation und Kontrolle.
Der Film zeigt einen Mann, der Orangenkisten zur Küste transportiert und in seinem Autoradio Diskussionen zum Thema aus Athen und Madrid verfolgt. Auf der Fahrt begleitet uns die Frage, wie wir in Guy Debords „Gesellschaft des Spektakels“ alternative Erzählungen schaffen und am Leben erhalten können. 

OYUNTHE PLAY

Neun Frauen aus einem Dorf im türkischen Taurus-Gebirge berichten aus ihrem Leben. Von den Vätern, die sich lieber einen Sohn gewünscht hatten und eine höhere Schulbildung für die Töchter ablehnen. Von den Müttern, die Feldarbeit, Haushalt und Kindererziehung unter einen Hut bringen müssen und von ihren Männern noch betrogen werden. Von Zwangsheiraten und Fluchtversuchen. Von ungeschriebenen Gesetzen, die keine Generation bisher brechen konnte. “Ich wünschte, es wäre eine Lüge, aber es ist alles wahr”, resümiert eine der Frauen die Geschichten. Um sie nicht länger zu verschweigen, treffen sich die Frauen und schreiben zusammen das Theaterstück “Der Aufschrei der Frauen”, das auf ihren eigenen Lebensgeschichten basiert. Geprobt wird unter der Leitung des Schuldirektors in der örtlichen Schule. In langen Nächten arbeiten sie unter den neugierigen Augen der Männer des Dorfes an ihrem Stück. Im Laufe der Proben entwickeln die Frauen immer mehr Charisma und Selbstvertrauen. Streit bleibt trotzdem nicht aus. Und so steht die Uraufführung im Dorf kurz vor dem Scheitern. Die 1972 in Istanbul geborene Regisseurin Pelin Esmer begleitet die Darstellerinnen der Laien-Truppe einfühlsam und unaufdringlich auf ihrem Weg bis zur ersten Aufführung im Dorf. 

Preise (Auswahl): Tribeca: The Best New Documentary Filmmaker Award; Créteil Women Films The Best Documentary Film Award; Nürnberg FF Turkey/Germany: The Special Prize Of The Jury; Vitoria New European Film: The Human Rights Award; Adana Golden Boll: In Memoriam Yilmaz Güney Award; Boston Turkish Films: The Best Documentary Film Award 

Pelin Esmer wurde 1972 in Istanbul geboren. Nach dem Studium der Soziologie als Assistentin bei mehreren Produktionen. Filme: THE COLLECTOR (2002).

Installation

Zeki Müren Hotline – Zeki Müren Hatti

Der türkische Varietekünstler Zeki Müren war ein nationales Phänomen. 1931 geborgen, begann er seine Karriere als Sänger in Radioshows, bevor er ein schillernder Star der Nachtclub-Szene wurde. Er kleidete sich feminin, trug Make-Up und liebte Schmuck. Obwohl er sich nie öffentlich dazu bekannte, war seine Homosexualität ein offenes Geheimnis. Mit seinem Können als Sänger hatte ein breites Publikum und eine große Fangemeinde. Er wurde zum Symbol der Türkischen Einheit. Nach seinem plötzlichen Tod – einem Herzinfarkt während eines öffentlichen Auftritts – erhielt er ein Staatsbegräbnis. Wie stark Müren in das Leben der unterschiedlichsten Menschen hineinwirkte, wird durch die interaktive Telefon-Hotline deutlich. Über 800 Menschen haben diese Hotline genutzt, um für den verstorbenen Sänger eine Nachricht zu hinterlassen. (idfa)

Erleben Sie eine Auswahl der Telefonbotschaften in der Telefonzelle vor dem Kino

Fidelity

Eine Istanbuler Ärztin hilft einem jungen Demonstranten vor dem Zugriff der Polizei und bringt sich und ihre Familie damit ins Visier der staatlichen Organe. Ilker Catak und sein Autor Georg Lippert erschaffen in 25 Minuten ein atmosphärisch dichtes Drama, das uns von der ersten Minute an gefesselt hat. Mit feinen Zwischentönen und erzählerischer Raffinesse gewährt uns SADAKAT einen Einblick in das heutige Istanbul. Dabei erfahren wir den politischen Konflikt im Privaten. Handwerklich auf hohem Niveau, ein erstklassiges Ensemble und starke Bilder - dieser Film hat uns mitgenommen und begeistert. (Jurybegründung Max-Ophüls Preis 2015, bester Kurzfilm)

Once upon a time

Am Anfang ein typisches Eigenheim einer Mittelstandsfamilie. Das junge Ehepaar fährt einkaufen im Supermarkt, der Einkaufswagen füllt sich, ein Salatkopf bildfüllend. Schnitt. Ein kleiner Lkw wird mit dem Hab und Gut einer anderen Familie beladen, Abschiedsszenen, Abfahrt der vielköpfigen Familie. Es sind kurdische Wanderarbeiter, die in die Nähe von Ankara reisen, um dort ihre Zelte neben Gemüsefeldern aufzuschlagen. Eine Saison lang pflanzen und ernten sie hier die Frischwaren, mit denen sich andere Familien gesund ernähren werden. Sie kochen auf einem Holzofen im Freien, haben weder Duschen noch Toiletten und schuften den ganzen Tag auf den Knien, auch die Kinder. Der Vater hält zwei Rothühner - das ist der einzige Luxus. Man spürt den Familienzusammenhalt, die Kinder spielen zwischen den Salatsetzlingen, die Sprinkleranlage sprüht, ein Regenbogen überspannt die Agrarlandschaft. Es herrscht fast eine fröhliche Atmosphäre, wenn die Feldarbeit nicht so verdammt anstrengend wäre. Als sich der Sohn in die Tochter des anderen Clans verliebt, brechen die Unwägbarkeiten und die existentielle Not zutage. Wie sollte er jemals eine angemessene Mitgift zahlen können, wo seine Familie sowieso schon verschuldet ist? Der Filmemacher hält eine feine Balance zwischen dem Beobachten und narrativer Montage, auch als er am Ende in die Geschehnisse verstrickt wird. Zweimal beginnt die Mutter eine Gutenachtgeschichte für die Kinder, die zweite kommt nicht weit: Es waren einmal zwei Brüder, der eine war reich, der andere arm…

Preise: u.a. Best International Feature, RIDM, Montréal; Special Jury Price FIPRESCI, Istanbul Film Festival

 

Kazim Öz

geboren 1973 in Dersim, Türkei, arbeitete zunächst am Theater, ehe er sich mit Kurzfilmen (z.B. THE LAND, 1999) einen Namen machte. 2001 realisierte er mit THE PHOTOGRAPH seinen ersten Langspielfilm. Mit dem mehrfach prämierten THE DISTANT drehte er 2005 seinen ersten abendfüllenden Dokumentarfilm. Es folgten u.a. STORM (2008) und LAST SEASON OF SHAWAKS (2010).

In Kooperation mit FAIRburg e.V. und Türk HOG e.V.