NGOR, L’ESPRIT DES LIEUX

»Die urbane Entwicklung Dakars seit dem Ende des zweiten Weltkriegs bis zur Unabhängigkeit des Landes 1960 hat die alten Viertel der Stadt vollkommen umstrukturiert. Diese galoppierende Entwicklung hat nahezu alle alten Stadtteile (Medina, Ouakam, Yoff…), die von den Lebu (…) bewohnt sind, geschluckt. Die Lebu, die Begründer Dakars, sind die ersten Opfer dieser Urbanisierungspolitik. Ngor ist das einzig verbliebene intakte Dorf, das sich gegen das Stadtplanungsprojekt, dank der stabilen sozialen Organisation der Lebu, gewehrt hat. Der Film ist eine Chronik, die uns in das Alltagsleben der Bewohner Ngors eintauchen läßt. Er enthüllt uns einige Geheimnisse ihres hartnäckigen Widerstands…«
(S.F. Ndiaye).

ZONE RAP

Nachdem die Hip-Hop-Bewegung aus den USA nach Europa kam, hat sie natürlich irgendwann Afrika erreicht. Dakar und Abidjan sind die Pionierstädte dieser Bewegung im frankophonen Westafrika. Konfrontiert mit sozialen, wirtschaftlichen und politischen Problemen, beschreiben RapperInnen beider Städte die Schwierigkeiten ihres alltäglichen Lebens. Sie repräsentieren einen wichtigen Teil der afrikanischen Jugend, die dabei ist, neue Wege zu gehen…

After spreading through the United States and Europe, the Hip-Hop movement has reached Africa. Dakar and Abidjan are on the forefront of the movement. Confronted with social, economic and political problems, rappers from the two cities describe the difficulties of everyday life. They represent a generation of African youth determined to break new ground make it.

»Es gibt viele, die die Amerikaner oder die Weißen nachahmen möchten. Sie wollen wie sie rappen, aber wir sind schwarz. Wir sind Afrikaner und hier geboren. Die anderen sind im Rap geboren. Für uns ist es die beste Lösung, davon zu erzählen, was um uns herum passiert. Jeder kann rappen. Die Hälfte unseres Albums ist in unseren Sprachen Dessa und Wati. Aber wir müssen uns auch der internationalen Sprache bedienen, um viele Leute zu erreichen, weil wir etwas zu sagen haben und versuchen, positive Dinge zu vermitteln.« (Sakhapata Boys)

»In Dakar sieht man heutzutage viele Jugendliche, die keine Arbeit haben. Viele sind kurz davor, die Schule aufzugeben, weil sie einfach nicht das nötige Geld haben. Sie daran zu erinnern, bedeutet für uns, ihnen zu sagen, daß es eine Zukunft gibt, für die man wirklich die Augen öffnen und sich mit der Situation auseinandersetzen muß. Dazu braucht man eine Grundlage und das ist die Kenntnis der mündlich überlieferten Tradition.« (Kantiolis)

»Hier in Afrika gibt es viele Frauen, die nur kurz zur Schule gegangen sind, viele von ihnen sind Analphabetinnen. Die meisten Männer dagegen waren länger auf der Schule. Die Männer glauben, sie seien besser als wir, deshalb entscheiden sie dauernd für uns. Aber das wird sich ändern, die Zeit wird kommen für uns.« (Adjamtala Fusion)

Bouna Medoune Seye ist Fotograf und Regisseur; er lebt in Dakar, Senegal; Filme, BANDIT CINEMA (1992); SAÏ SAÏ BYDANS LES TAPATS DE DAKAR (1994)

JEF JEL

JEF JEL ist ein Dokumentarfilm über die islamische Bruderschaft der Muriden im Senegal. Wir reisen von Dakar nach Touba, wo diese religiöse Bewegung ihren Ursprung fand. »Die ‘Bayes Falls’, diese Mystiker, in einer kompromißlos regulierten Gesellschaft organisiert, sind für Moussa Sene Absa die Garanten einer Noblesse der Seele und des Charakters, Eigenschaften die im heutigen Senegal nicht mehr viel zählen. Mit seiner Kamera auf Brust- und Fußhöhe, lädt er das Publikum ein, in ihre geschlossene Welt einzutauchen, ihren ruhigen Schritten zu folgen und an ihren Gesprächen teilzuhaben (…). Die Botschaft von JEF JEL ist, uns nahezulegen, was die ‘Bayes Falls’ bewegt und weniger, zu zeigen wer sie sind. Moussa Sene Absa ist in ihrer Welt zu Hause und versucht sie zu ergründen; er variiert seinen Blick, um ihre sich wandelnden Facetten einzufangen.«
(Michel Amarger)

LA PETITE VENDEUSE DE SOLEIL

»Seit sehr langer Zeit ist der Handverkauf von Zeitungen in den Straßen von Dakar den Jungen der Stadt vorbehalten. Sili, ein kleines Mädchen lebt auf den Straßen und bewegt sich mit Hilfe von zwei Krücken vorwärts. Sie hält sich neben den Jungen, die die Zeitungen verkaufen, auf und bettelt. Eines Morgens wurde sie so heftig von den Jungen angerempelt, daß sie auf den Asphalt hinfiel. Ihre Krücken fand sie meterweit entfernt wieder. Um sich aufzurichten, mußte sie alle ihre Kräfte zusammennehmen, und sie nahm sich fest vor, ab dem nächsten Tag wie alle anderen auch Zeitungen zu verkaufen. Was für Männer gilt, gilt auch für Frauen. Doch die kleine Welt der Zeitungsjungen ist erbarmungslos. Sie wird mit Schmerzen wie mit Träumen konfrontiert… und schließlich auch mit der Freundschaft. Die Geschichte ist eine Hymne auf den Mut der Straßenkinder.« (Djibril Diop Mambéty)

Djibril Diop Mambéty, Filme: CONTRAS-CITY (1968); BADOU BOY (1970); TOUKI BOUKI (1973); PARLONS GRAND-MÈRE (1989); HYÈNES (1992); LE FRANC (1994); LA PETITE VENDEUSE DE SOLEIL (1998)

LE FRANC

»Marigo träumt von seinem Instrument, der ‘Congoma’, die die boshafte Vermieterin aufgrund ausgebliebener Mietzahlungen konfisziert hat. Um es zurückzubekommen, kauft sich Marigo ein Los der Staatslotterie. Ein kostbares Dokument, das er sorgfältig an seine Türe klebt, damit es niemand entdeckt. Und wie es das Schicksal will, gewinnt seine Nummer. Zu seinem Ärger jedoch hat Marigo das Los allzu gründlich an der Tür festgeklebt, und er muß sie letztendlich aus den Angeln reißen und sie auf dem Kopf zum Schalter der Staatslotterie tragen. Allerdings stellt sich am Schalter ein letztes Hindernis heraus: Zwar hat er das Große Los gezogen, doch die für die Auszahlung unerläßliche Kontrollnummer befindet sich auf der Rückseite des angeklebten Scheins. Das Los muß also um jeden Preis herunter, aber so, daß die Kontrollnummer keinen Schaden nimmt. Da hat Marigo eine geniale Idee. Am Ozean, auf einem Stein sitzend läßt er seine kostbare Tür von den Wellen liebkosen. Das Meer an der Westküste des Atlantiks kann abends schrecklich sein. Viel Glück, Marigo. Musiker und Märtyrer.«
(Djibril Diop Mambéty)

TOUKI BOUKI

Als Mory der Kuhhirt sein Vieh zum Schlachthof führt, trifft er die Studentin Anta. Gemeinsam träumen sie davon, nach Frankreich zu gehen, um reich zu werden. Auf verschiedene Art und Weise versuchen sie sich das Geld für die Reise zu beschaffen. Nach mehreren schicksalhaften Wendungen finden sie sich auf dem Deck eines Schiffes wieder, das nach Frankreich fährt, als Mory sich plötzlich weigert, den entscheidenden Schritt zu machen. Er möchte bleiben, da er einsieht, daß ihr Traum nur eine Illusion ist…

BADOU BOY

Komödie um einen kleinen Jungen, der in den Straßen von Dakar von einem dicken Polizisten verfolgt wird. Der Film ist aber auch eine kritische Beobachtung des Alltags verschiedener Menschen in Dakar. 

CONTRAS-CITY

Ein ironischer Blick auf die unterschiedlichen Gebäude und Viertel von Dakar. Diese architektonischen Besonderheiten sind das Ergebnis der zahlreichen Kolonialisierungen, die die Stadt geprägt haben. »Ich habe die Unterschiede in meiner direkten Umgebung betrachtet und es sehr amüsant gefunden, daß diese Stadt die Spur mehrerer kolonialistischer Niederlassungen trägt. Ich fand es zum Beispiel witzig, daß wir eine Kathedrale im sudanesischen Stil haben und eine Handelskammer, die einem Theater ähnelt, das Theater dagegen aber eher einem Sozialwohnungsblock: All diese Gegensätze gaben mir Anlaß, mich zu amüsieren.«
(Djibril Diop Mambéty)

TRACES, WOMEN’S IMPRINTS

Im Mittelpunkt des Dokumentarfilms von Katy Léna Ndiaye stehen die Frauen: Drei Großmütter aus dem afrikanischen Stamm der Kassena, die eine Enkelin in die traditionelle Kunst der Wandmalerei einführen. Sie soll die überlieferte Technik der Farbherstellung und die Strukturen der Ornamente weiter tragen. Die Wandmalereien der Kassenas-Frauen sind für die Schönheit ihrer Muster und die Harmonie der Farben weit über Burkina Faso hinaus berühmt. Ndiaye lässt in ihrem Film Tradition und Moderne aufeinander treffen. Die Enkelin zum Beispiel hat wenig Zeit, die alte Tradition zu erlernen, denn sie spielt lieber Fußball und hat – im Gegensatz zu ihren Großmüttern – die Schule besucht. Die Großmütter hingegen sind an der Seite ihrer Mütter aufgewachsen und wurden eines Tages verheiratet. Sie erzählen von ihren Familien und von den Geschichten, die den bunten Motiven an ihren Häuserwänden zugrunde liegen. Nach und nach entstehen im Film die Wandmalereien, durch die die alten Frauen ihre Spuren hinterlassen. Doch sie wissen, dass in Afrika eine andere Zeit angebrochen ist: “Diese Arbeiten machen wir nur für dich [die Filmemacherin] und für unsere Enkelin Aretina. Wir sind froh, dass wir in renovierten Häusern leben!” So wird der Film selbst zum Medium, der für einen Moment die Tradition erhält. Feinfühlig und mit brillant fotografierten Bildern zeigt Katy Léna Ndiaye die Kunstfertigkeit dieser Frauen und ihr Bemühen, diese an die nächste Generation weiterzugeben. 

Fad, Jal

Fadial, eine Gemeinde von Ackerbauern, Viehzüchtern und Fischern, erlebte eine Blütezeit, in der jede Familie den vollständigen Ertrag ihrer Arbeit erhielt. Das blühende Fadial weckte neidvolles Begehren. Fadial war nicht in der Lage, sich des Drucks seitens des feudalen Königreiches von Sina zu erwehren. So wurde Fadial erobert und seine Ackerbauern zu ungewohnten Frondiensten gezwungen.

Nach einer finsteren Periode der Unterdrückung wird Fadial wiedergeboren. An der Grenze zu Sina gelegen, wird es in der Folgezeit zu einer Zufluchtsstätte für all jene, die der Justiz des Königs, der Repression einer Gemeinschaft oder der eines Eigentümers entflohen waren.

Man erinnert sich der einstigen Blütezeit. Man wählte lieber Das Exil, um sich der Unterdrückung zu entziehen. Man erinnert sich des Glücks der Heimkehr und der Gastfreundschaft, die den Zufluchtsuchenden gewährt wurde.

Die Geschichte ist eigentlich die Erzählung von einem langen und hartnäckigen Widerstand, die die Gemeinde von Fadial leistete. FAD, JAL (Neuankömmling, arbeite) legt Zeugnis ab über ein Dorf, dessen Geschichte zwar nicht geschrieben wurde, die aber trotzdem passiert ist. In der mündlichen Tradition ist sie lebendig geblieben und bildet die Grundlage des überlieferten Rechts. (Festival Katalog 1987)