PARADISE

Das Dorf Shologon liegt in der Taiga im Nordosten Sibiriens. Eine extreme Hitzewelle entzündete vor zwei Jahren heftige Waldbrände in der entlegenen Region. Die Anwohner nahmen es zunächst gelassen, doch die Feuersbrunst rückte näher und näher. Vom Staat war keine Hilfe zu erwarten, denn das Dorf liegt am Rand einer Zone, in der nur wenige Menschen leben, weshalb man die Feuer sich selbst überlässt. Der Bevölkerung bleibt nichts anderes übrig, als sich zu organisieren und das Feuer so weit wie möglich zurückzuhalten und darauf zu hoffen, dass es bald wieder regnet. Verschiedene Trupps, immer im gegenseitigen Kontakt, überwachen die Brände, alle Männer und auch Frauen kämpfen mit einfachsten Mitteln gegen den “Feuerdrachen”.  

Für die Kameraarbeit erhielt Paul Guilhaume zu Recht einen Preis. In seinen Aufnahmen wird die brennende Landschaft zum Sinnbild der Bedrohung durch den Klimawandel. Im dichten Rauch, ein einziges Farbspektakel von gelb bis rot, verfolgt man die Silhouetten der Menschen, fürchtet und wundert sich, wie sie Hitze und Rauch aushalten. Ein konzentriert beobachtender Dokumentarfilm, dessen Dramatik der Zuschauer sich kaum entziehen kann.  

Alexander Abaturov, geb. 1984 in Nowosibirsk. Nach seinem Studium der Kommunikationswissenschaften arbeitete er als Journalist für die Bundespresseagentur. Im Jahr 2010 erwarb er einen MA in kreativem Dokumentarfilm an der Dokumentarfilmschule von Lussas in Frankreich. Filme: SLEEPING SOULS (2013, 53 min); THE SON (2018, 71 min). 

Regie: Alexander Abaturov
Kamera: Paul Guilhaume
Montage: Luc Forveille, Alexander Abaturov
Ton: Myriam René, Sorin Apostol, Frédéric Buy
Produktion: Petit à Petit Production
Verleih: The Party Film Sales

TERRA MATER

Selbstbewusst steht sie da, eine Göttin des Technoschrotts, umgeben von endlosen Bergen von Müll, Plastik, Gestank und seltenen Erden. Ein wütender Appell an die Welt, Verantwortung für die Folgen von Kapitalismus, Kolonialismus und Umweltzerstörung in Afrika zu übernehmen. (Berlinale)

Dieser Film wird gleichzeitig im Unseen als Teil unserer #Junction_Nairobi gezeigt, gefolgt von einer gemeinsamen Diskussion.

Kantarama Gahigiri ist eine ruandisch-schweizerische Drehbuchautorin und Regisseurin, geboren 1976 in Genf, aufgewachsen in der Schweiz und in verschiedenen afrikanischen Ländern. Sie hat einen Abschluss in internationalen Beziehungen. Als Filmemacherin konzentriert sie sich in ihrer Arbeit auf Themen wie Identität, Migration, Empowerment und Repräsentation. Sie ist Absolventin der Realness Residency (2018), von La Fabrique Cinéma in Cannes (2019), Le Moulin dAndé (2020), Berlinale Talents (2021), der Locarno Filmmakers Academy (2022) und des Atelier Grand Nord (2023). Filme: ME + U (2013, TV-Serie), TAPIS ROUGE (2014, Spielfilm), LOST ANGEL LESS (2017, Kurzfilm).

Regie, Buch: Kantarama Gahigiri
Key Cast: Cheryl Isheja

PER VOI OGGI LA LUCE DEL SOLE NON SPLENDERÀ

Diese postapokalyptische Eco-fiction folgt zwei Bauarbeitern auf der ständigen Suche nach Spuren. Sie werden mit einem hybriden natürlich-industriellen Universum konfrontiert, das überwältigend zu sein scheint. Im Laufe der Tage und Nächte trennen sich ihre Wege und führen sie zur Erkundung neuer Horizonte. 

Andrea Bordoli ist 1990 in der Schweiz geboren. 2015 BA in Anthropologie und Philosophie an der Université de Neuchâtel. 2017 MA in Visual Anthropology an der University of Manchester. Er lebt in Genf und Bern, wo er an der HEAD-Genève (Haute École d’Art et Design) visuelle Kunst und Kino studiert, während er an der Universität Bern ein praxisorientiertes Doktorat in visueller und medialer Anthropologie absolviert.

MY ENGLISH COUSIN

Fahed möchte sein Leben verändern. Fast zwanzig Jahre ist es her, seit er Algerien verließ. Damals kam er voller Hoffnungen in Grimsby an, einer britischen Hafenstadt, die ihre florierenden Zeiten längst hinter sich hatte. Sein Traum von Wohlstand verflüchtigte sich. Um finanziell zu überleben, geht er heute in einer 50-Stunden-Woche zwei Jobs nach. Zwar besitzt er inzwischen eine Aufenthaltsgenehmigung und lebt gut integriert in einer Arbeiter-WG, doch nun, in der Mitte seines Lebens, zieht es ihn zurück in die algerische Heimat. Um näher bei seiner Mutter zu sein. Und er hat Heiratspläne! Doch wird es Fahed gelingen, sich nach so langer Abwesenheit wieder in Algerien einzuleben und seine Rolle zu finden? Seine Familie glaubt ihm die Rückkehrabsichten nicht so recht und neckt ihn, weil die Verlobung ein Mysterium bleibt. Wahrscheinlich habe er sich bereits zu sehr an die britische Mentalität gewöhnt, vermutet seine Tante.

Wo ist nun Faheds Heimat? Unvoreingenommen und mit humorvollem Blick für Details begleitet Karim Sayad seinen wortkargen Cousin bei dessen unentschlossenem Hin und Her. Ein Film über persönliche und nicht zuletzt auch gesellschaftliche Wendepunkte, denn im Hintergrund bewegen sich die beiden Länder England und Algerien auf politische Umwälzungen zu. (Annina Wettstein)

Karim Sayad, geb. 1984 in Lausanne als Sohn eines Algeriers und einer Schweizerin. Nach einem Studium der Internationalen Beziehungen wird er Dokumentarfilmer. Sein erster Kurzfilm BABOR CASANOVA (2016) erzielte Preise auf mehreren internationalen Festivals. Es folgte das Langfilmdebüt OF SHEEP AND MEN (2017) über die Schafbockzucht von jungen arbeitslosen Männern in Algiers.

Regie: Karim Sayad
Kamera: Patrick Tresch
Montage: Naïma Bachiri
Ton: Miguel A. Dias
Produktion: Close Up Films
Verleih: Filmotor, Prag michaela@filmotor.com

 

 

SWEET SALTY WIND

Irgendwo an der Nordküste Kubas schwimmen drei Kinder im Meer, spielen zufrieden mit Muscheln, Farbresten und einer Meeresschnecke. Sie suchen gemeinsam Schutz vor dem Regen, bemalen ihre Haare, spielen verstecken. Sie scheinen ganz unter sich zu sein, unbeobachtet vom Rest der Welt. Doch nach und nach zeigen sich in dieser Idylle kleine Risse. Als die Kinder durch die Stadt streifen, offenbart sich eine Kulisse aus verlassenen und verfallenen Häusern. Der Tag vergeht, und als die Sonne über dem Meer versinkt, stellen sich unbequeme Fragen über die Insel und die Menschen, die hier wohnen.

SWEET SALTY WIND verwebt eine eindrucksvolle kindliche Gemeinschaft mit einer dunkleren sozialen Realität.

Regie, Buch: Laura Gabriela Gabay
Kamera: Mathilde Le Masson
Montage: Emmanuel Peña
Ton: Vitor Coroa / Vitor Moraes
Kontakt: lauragabriela.gabay@gmail.com

Installation: Erinnerungen der Dinge

2 Kanal Video-Installation
Eine Produktion des Museums der Kulturen, Basel

Museen stehen an einer Schnittstelle von öffentlicher und privater Erinnerungskultur. An Museumssammlungen werden nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse und kulturpolitische Interessen ausgehandelt, sie bergen auch zahlreiche persönliche Erinnerungen. Die Video-Installation ERINNERUNGEN DER DINGE zeigt eine Delegation von Vertretern brasilianischer Tuparí bei ihrem Besuch ethnologischer Sammlungen 2009 in Europa. Diesen Bildern der Begegnungen der Tuparí mit den Objekten und Dokumenten ihrer Vorfahren in europäischen Archivräumen werden Aufnahmen aus ihrem Dorf gegenübergestellt. Wie wird Kultur bewahrt? Was bedeuten uns Objekte? Wer sind ihre Repräsentanten?

Be’ Jam Be - the Never Ending Song

Das Leben der Penan, im Malaysischen Bundesstaat Sarawak auf Borneo, ist von der massiven Zerstörung des Regenwaldes bedroht. Wie können die ehemaligen Nomaden ihr Weiterleben gestalten, wenn ihr Lebensraum, und damit ihre Lebensgrundlage, zunehmend vernichtet wird? Getragen von Sprechgesängen des Widerstandes erzählt der Film von dem Konflikt zwischen traditioneller Lebensweise und dem Kampf gegen die Planierraupen. 

In the Devil’s Garden

Der Film führt uns zu einem provisorischen Tiermarkt am Rande Algeriens. Wie im Schwebezustand nehmen wir an der Fütterung, dem Warten und der Hitze teil, inmitten von Ziegen und Kamelen, den alten Begleitern der Kulturen des Maghreb. Die im Metallschrott gefangenen und gehandelten Tiere gehören geflüchteten Sahrauis der nicht allgemein anerkannten Demokratischen Arabischen Republik Sahara, die seit Jahrzehnten in Zeltstätten in der Wüste ausharren.
Der Film bietet einen poetischen Zugang zu einem weitgehend vergessenen Konflikt und der leeren Realität von Vertreibung, Ausgrenzung und Ausbeutung. 

The River, My Friend

Der Fluss Lule fließt durch einen Teil Schwedens, der über tausende Jahre von der indigenen Minderheit der Sami bevölkert war. Die fünfzehn Staudämme, welche die industrielle Nutzung des Lule heute möglich machen, gehören dem staatseigenen Vattenfall-Konzern. Um sie bauen zu können, wurden viele Sami, die traditionell von Rentierjagd lebten, zwangsweise umgesiedelt. Die überlieferte Alltags- und Arbeitskultur der Sami ist damit mehr und mehr verschwunden. Was bleibt ist ihre tiefe emotionale Verbundenheit mit dem Wasser. „Jeden Tag fließt der Fluss durch mich hindurch“, erzählt die samische Bilderbuchautorin Eva-Stina Sandling, „und sucht nach Erinnerungen.“ Für diese Erinnerungen und die starke Verbundenheit mit dem Fluss Lule hat Regisseurin Hannah Ambühl wunderschöne Bilder gefunden. Gleichzeitig dokumentiert der Film die sich verändernden Traditionen und Leben der Frauen und erkundet deren Zugehörigkeitsgefühle als Sami. 

Cracks in the Mask

Vor mehr als 100 Jahren waren die Bewohner*innen der Torres Strait Inseln nördlich von Australien das Ziel zahlreicher anthropologischer Forschungsreisen. In Folge dessen verschwanden zahlreiche kulturelle Objekte und hinterließen eine Leerstelle in der Geschichte der Pazifikbewohner*innen. Keine ihrer einzigartigen aus Schildkrötenpanzer gefertigten Masken verblieb an ihrem Platz, ihr gesamtes materielles kulturelle Erbe verschwand in fremden Museen.
Auf der Suche nach den Exponaten bereist Ephraim Bani - ein Wissensträger der Torres Strait Inselbewohner - mit seiner Frau die großen Museen Europas. Seine Frage, ob nicht einige der Objekte zurückgegeben werden könnten, löst überall grundsätzliche Debatten über die von Konkurrenz untereinander geprägte Museumskultur und die Komplexität internationaler Politik im Umgang mit indigenen Kulturen aus. Ephraim Bani’s Tagebuchaufzeichnungen enthalten hellsichtige Reflektionen über die Verwandlung der rituellen Artefakte seiner Vorfahren in pure Ausstellungsobjekte.