ONE OF US NOW

ONE OF US NOW ist ein Film von und mit Maya Steinberg. Die Regisseurin Maya bezeichnet sich als säkulare Israelin. Als queere und feministische Frau lebt Maya im Kontrast zu ihrem Vater, der ein spätes religiöses Erwachen hatte. Bei einem mehrwöchigen Besuch der Grabstätte von Rabbi Shimon bar Yochai in Galiläa, einem wichtigen Ort für Mayas Vater, versucht die Filmemacherin, dessen ultra-orthodoxe Realität zu verstehen. Gibt es hier einen Platz für Frauen? Und kann es einen Platz für queere Menschen geben? 

Anhand Mayas persönlicher Erfahrungen, Begegnungen und Beziehungen ergründet ONE OF US NOW diesen faszinierenden Ort und seine religiöse Gemeinschaft. Der Film lässt uns das starke Spannungsfeld in einem Kontext spüren, in dem die Frage nach Zugehörigkeit und Ausschluss starren Regeln und Traditionen folgt. 

 

THE VIEWING BOOTH

THE VIEWING BOOTH widmet sich in einer laborähnlichen Versuchsanordnung dem Erleben von Bildern und der Frage, was wir als Wahrheit begreifen: Wie konstruieren wir Wahrheit, damit sie zu unseren Überzeugungen passt? Der Regisseur Ra’anan Alexandrowicz, dessen frühere Filme unterschiedliche Aspekte der israelischen Besatzung beleuchten, hat im Internet veröffentlichte Videos der Menschenrechtsorganisation B’Tselem gesammelt und das Material, das die Präsenz des israelischen Militärs in der Westbank dokumentiert, Studierenden einer US-amerikanischen Universität gezeigt. Er filmte ihre Reaktionen und lud eine von ihnen, Maia Levy, sechs Monate später zu einem zweiten Screening ein. Sie sieht sich nun selbst dabei zu, wie sie sich Filmmaterial, das ihren politischen Überzeugungen zuwiderläuft, ansieht. Was hierbei zum Ausdruck kommt, ist vielschichtig, verwirrend, aufschlussreich und geht über den israelisch-palästinensischen Konflikt weit hinaus. Maia Levys freimütige Analyse ihrer eigenen Kommentare wurde fast unverändert übernommen und vermittelt den Zuschauer*innen, dass Sehen nicht immer Glauben heißen muss. (Berlinale 2020)

Ra’anan Alexandrowicz, geb. 1969 in Jerusalem, Israel. Er studiert an der Sam Spiegel Film and Television School in Jerusalem und schon sein kurzer Abschlussfilm RAK B’MIKRIM BODEDIM (Self Confidence Ltd, 1996) wird mehrfach ausgezeichnet. Seit MARTIN (1999), Porträt eines Überlebenden des KZ Dachau, wendet er sich dokumentarischer Arbeit zu und sucht nach innovativen Ausdrucksformen. THE INNER TOUR (2001, Freiburger Filmforum 2001) begleitet eine palästinensische Reisegruppe auf einer Bustour durch Israel. Der Kinostart fällt mitten in die 2. Intifada und löst heftige Reaktionen aus. Der Film läuft auf zahlreichen internationalen Festivals und wird als ungewöhnliche Sicht auf Israel gefeiert. Es folgt ein Spielfilm über einen Afrikander, der nach Jerusalem pilgert, aber als Arbeitsmigrant endet (JAMESJOURNEY TO JERUSALEM, 2003). Danach behandelt Alexandrowicz die juristische Geschichte der Besatzung arabischer Gebiete durch den israelischen Staat. THE LAW IN THESE PARTS (2011) gewinnt bei vielen Festivalauftritten u.a. den Grand Jury Prize auf dem Sundance Film Festival. Nach Erfahrungen im pädagogischen Einsatz dieses Films verfasst der Regisseur die Abhandlung „50 Years of Documentation“ (2018) über das Wesen politisch-dokumentarischer Arbeit. Er arbeitet mehrfach für den Sundance Documentary Fund als Editing Advisor.

Regie: Ra’anan Alexandrowicz
Kamera: Zachery Reese
Montage: Neta Dvorkis, R. Alexandrowicz
Sounddesign: Rotem Dror
Produktion: R. Alexanandrowicz, Liran Atzmor
Konakt: R. Alexandrowicz theviewingbooth@gmail.com

PINKASDREAM

Pinkas, ein 75-jähriger Landarbeiter im Moshav Rehov im Beit Sh’an Tal, wacht eines Morgens von einem Traum auf, in dem ihm seine Schwester Simha erschienen ist. Er hat sie seit seiner Einwanderung aus Kurdistan nach Israel vor 50 Jahren nicht mehr gesehen. Sein Traum läßt ihn nicht in Frieden und er tritt eine lange Reise zu seinem Geburtsort an, einem abgelegenen Dorf im kurdischen Bergland. Er findet tatsächlich seine lange verloren geglaubte Schwester und ihren muslimischen Ehemann. Auf der Stelle beschließt Pinkas, seine Großfamilie aus Kurdistan nach Israel zu bringen. Und nun beginnt eine von einem Mann organisierte ‘Aliyah’ , in der Pinkas völlig aufgeht. Er findet einen neuen Lebensinhalt und mobilisiert alle seine Kräfte im Auftrag der wiederentdeckten Familie. Irgendwie schafft er es, 50(!) Mitglieder seiner Familie nach Israel zu holen und sie in umliegenden Dörfern unterzubringen. Täglich besteigt er seinen Taktor, um alle aufzusuchen. 

Als die Zeit vergeht, wird die harte Realität deutlich: Es ist schwierig, sich in ein neues Land einzugewöhnen, insbesondere als Muslim in einem jüdischen Staat, in dem eine lernintensive Konversion zum Judentum zwar nicht verpflichtend ist, aber der soziale Druck sie doch dazu zwingt. Das Überleben erscheint zunächst leichter, da man als Neu-Einwanderer von dem israelischen Sozialsystem profitiert. Aber die Sehnsucht nach dem Heimatdorf in Kurdistan ist nicht zu verdrängen… 

Die Fotografin Ruth Walk schloß 1993 ihr Studium an der ‘Hochschule für Film und Fernsehen’ in Tel Aviv ab. Seitdem dreht sie Dokumen-tarfilme für das israelische Fernsehen: 14 YEARS DON’T ERASE 27 (1993); YEHOSHUA BAR JOSEPH (1993);SARAH RAVID; A WOMAN ON THE RUN; THE ELCTRICITY PARK; THE BOY FROM NAHARIYA; TEL ROMEIDA; (Kurze Dokumentarfilme 1993-97); SONG OF THE VIOLETS (1995); BORN NEAR THE SEA (1995),

THE SOUTH - ALICE NEVER LIVED HERE

Einstmals hieß es Abu Kabbir und war ein arabisches Dorf in der Nähe von Jaffa. Heute heißt es Tel Kabbir und ist eine jener Schlafstätten Jaffas südlich von Tel Aviv, die überwiegend von aus dem Maghreb stammenden sephardischen orientalischen Juden (die man in der israelischen Umgangssprache die »Schwarzen« nennt) und palästinensischen Arabern bewohnt werden. 

In diesem Viertel ist die Filmemacherin Sini Bar-David aufgewachsen, und ihr Film behandelt die Geschichte und die Rolle der Sephardim im heutigen Israel. Im Zentrum des Films stehen drei Frauen aus drei Generationen und ihr Überlebenskampf in einer zur Zeit in Stücke zerbrechenden Gesellschaft, die ihre säkularen und sozialistischen Wurzeln verliert. Einer Gesellschaft, die 50 Prozent ihrer Bevölkerung nur wegen ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe und ihres kulturellen Hintergrunds, sozial und wirtschaftlich marginalisiert. 

Die Regisseurin schildert ihre eigenen Erinnerungen anhand der Konflikte der 15-jährigen Elinor aus Jaffa, die aber im Norden Tel Avivs in eine »weiße« Mittelklasse-Schule der Aschkenasim geht. Die Erzählungen von Sini Bar-Davids 89-jähriger Großmutter inspirierten die Regisseurin zu einer filmischen Reise nach Griechenland und Bulgarien (die europäisch-sephardischen Juden lebten vor dem 2. Weltkrieg vor allem auf dem Balkan), dort wo ihre Großmutter geboren wurde und den Holocaust überlebte. »Juden und Araber – wir sind gleichermaßen einer starken Ablehnung ausgesetzt; die Bewohner des Nordens von Tel Avivs – vor allem Aschkenasim, die aus Osteuropa stammenden Juden – schauen auf uns herab. Wir werden wegen unserer »sozialen Unterlegenheit« (orientalische Juden und Araber) und unseres wirtschaftlichen Status diskriminiert. Wie »Alice im Wunderland« ließ ich mich mit den Wellen der Phantasie zu anderen Welten hinwegtragen, Welten, die ich geschaffen hatte und die mir die Kraft gaben, mit dem Verfall des abgelehnten Jaffa meiner Kindheit und Jugend fertig zu werden. (…)« (Sini Bar-David)

Senyora (Sini) Bar-David, geboren 1963 in Jaffa, studierte 1984-86 an der Film & Television School an der Tel Aviv University. Seit 12 Jahren arbeitet sie als Cutterin und seit 1994 als Produzentin und Filmregisseurin:
BORN ON THE 13TH OF SEPTEMBER (1994)
AKKO- DREAMS BETWEEN THE WALLS (1995)
WADI SALIB 95 (1995)

MAKOM AVODA

1981 gründeten 25 israelische Familien den Moshav Shekef, eine landwirtschaftliche Genossenschaft. Heute leben dort 40 Familien, die je zur Hälfte politisch rechts bzw. links ausgerichtet sind. Einige sind Sabras (in Israel Geborene), andere kommen aus Marokko, Argentinien oder dem Irak. Nebenan liegt das palästinensische Dorf Beth- Awah mit seinen 7.000 Einwohnern. Dazwischen verlief vor dem Sechstagekrieg im Juni 1967 die israelisch-jordanische Grenze. Anfangs bearbeiteten die Einwohner des Moshav das Land selbst. Doch bald schon holten sie junge Arbeitskräfte aus dem palästinensischen Nachbarort. 1988, zu Beginn der Intifada, wurde ein Mitglied des Moshav ermordet. Bis heute konnten der oder die Täter nicht gefunden werden. Trotzdem durften die jungen palästinensischen Arbeiter bereits am nächsten Tag nicht mehr zur Arbeit kommen. Wie im übrigen Land ging man auch im Moshav dazu über, die vorher ausschließlich palästinensischen Arbeitskräfte durch Gastarbeiter aus dem fernen Thailand zu ersetzen. Der Film erzählt die Geschichte einer schwierigen Dreiecksbeziehung zwischen Israelis, Palästinensern und Thailändern. Sie spielt an einem Ort – »Makom« – und kreist um das Thema Arbeit – »Avoda«.

Nurith Aviv, geboren in Israel, lebt in Paris. Sie hat die französische und israelische Staatsbürgerschaft. Von 1962-65 war sie Pressefotografin und besuchte anschließend die Filmhochschule IDHEC. Seitdem arbeitet sie kontinuierlich als Kamerafrau für Spiel- und Dokumentarfilme, u.a. für Agnès Varda, Chantal Akerman, René Allio, Dagmar Damek, M. Bat-Adam, Edna Politi, Amos Gitai, Ruth Beckermann, Helke Sander, Jacques Doillon, Eyal Sivan, Jean-Marie Teno, Frauke Sandig. Als Regisseurin und
Kamerafrau realisierte sie: KAFR Q’ ARA (1989); DER STAMM DER EUROPÄER (1992)

Good or Bad, Black and White

Nach dem Ende des Sowjetreichs mußte Israel mit einer neuen Welle von Einwanderern fertig werden. Es war die Zeit, als die Intifada gerade ihren Höhepunkt erreicht hatte und die Autonomieverhandlungen mit der PLO in ihre entscheidende Phase getreten waren. Sie kamen vor allem aus Rußland und der Ukraine, aber auch aus Äthiopien – mit sehr verschiedenartigen Motiven. Viele von ihnen verbrachten die ersten Jahre zusammen in Auffanglagern. Menschen aus zwei Kulturkreisen, die nicht gegensätzlicher sein könnten. Amit Goren beobachtete einige von ihnen über längere Zeit in einem Caravan-Camp, wo sie auf ihre Eingliederung ins zivile Leben warteten:

»Während der sechsmonatigen Recherche für den Film »GOOD OR BAD…« besuchte ich fast alle Wohnwagen-Camps, die damals in Israel überall in großer Eile errichtet wurden. Ich hatte spontan ein starkes Mitgefühl für die vielen neuen Immigranten aus der früheren Sowjetunion und Äthiopien. Ihr Traum, im modern gewordenen, alten jüdischen Land ein eigenes Heim aufzubauen, drohte an Hitze und Staub, Isolierung und Hoffnungslosigkeit zu zerbrechen. Was sonst hätte man auch empfinden können angesichts dieser endlosen Reihen von Caravan-Kisten, die man unter sengender Sonne lieblos in die Landschaft gesetzt hatte? Eine alte Äthiopierin mit scheuem Lächeln verglich ihren Caravan mit einem Baum. »Ja«, sagte sie, »der bewegt sich mit jeder Brise hin und her« und zeigte auf die dünnen Eisenstäbe im Boden, auf denen das Vehikel befestigt war. Ich hörte in Bat Hazor eine Menge solcher Geschichten, pessimistische, tragische, aber auch welche, die Anlaß zum Optimismus gaben. Hinter diesen persönlichen Geschichten verbarg sich jedoch ein allgemeineres Problem, das sich erst allmählich gezeigt hat: In einem Lager mit so extremen kulturellen, sprachlichen und rassischen Unterschieden wurde die latente Gewalttätigkeit zur ständigen Bedrohung. Es war von Anfang an klar, daß die gemeinsame Religion nicht ausreichen würde, um sich gegenseitig als Gleichberechtigte anzuerkennen. Wie also sollten Menschen in so einer Athmosphäre assimiliert werden? Die Abgeschiedenheit des Camps, die Entfernung von den urbanen Zentren des Landes, trugen nur dazu bei, daß die ohnehin schon gespannte Situation immer komplizierter wurde.

Im Sommer 1993, als ich mit den Dreharbeiten begann, waren in Bat Hazor 2.800 neue Einwanderer verschiedener Herkunft. Meine Absicht war, die Mauer aus Verbitterung und Verachtung zu durchbrechen, auf die ich in meinen ersten Gesprächen mit Immigranten gestoßen war. Ich wollte die ganze Bandbreite menschlicher Erfahrungen erforschen, die die Immigranten während ihrer geradezu absurden Reise von ihrer Entwurzelung bis zu ihrer Assimilation machen müssen. (…) Meine Erlebnisse beim Drehen des Films entsprechen in vieler Hinsicht denen jener assimilierten Israelis, die versuchen den einen zu verstehen und den anderen zu akzeptieren – den Fremden, den Gast, den Immigranten, der eine andere Sprache mitgebracht hat, natürlich auch andere Bräuche und Mentalitäten, die sich in anderen Kulturen entwickelt haben. Nein, das schafft keiner, egal welcher Nationalität, im Handumdrehen. Auch für mich war das ein langer schmerzhafter Prozeß, und ich bin immer noch dabei zu lernen. Ich wollte also zu den im Film ausgewählten Personen eine gewiße Nähe erlangen. Ich wollte die Barriere überwinden, die uns trennte und uns voneinander so verschieden erschienen ließ. Ich wollte den potentiellen Zuschauern – wo immer sie zu Hause sind – ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit der Sprache des Films verständlich machen.« (Amit Goren) 

Amit Goren schloß die New York University Film School mit Auszeichnung ab. Seit 1989 arbeitet er als Drehbuchautor, Produzent und Regisseur. Er gehört zu den wichtigsten israelischen Dokumentarfilmern und erhielt für seine Filme zahlreiche internationale Festivalpreise. Filme: THE CAGE (1989); 66 WAS A GOOD YEAR FOR TOURISM (1992); 6 OPEN, 21 CLOSED (1994); EVER SHOT ANYONE? (1995); 119 BULLETS AND THREE (1996); TEST RUN (1997); ANOTHER LAND (1998)

DIX ANS APRÈS

»Vor zehn Jahren ging ich nach Äthiopien. Die Medien berichteten über das Land wegen der Hungersnot und dem Regime des Diktators Mengisto. Ich bin dort hingefahren, um einen Film über die schwarzen Juden, die man dort ‘Falaschen’ nennt, zu drehen. Sie waren arm und wurden schlecht behandelt, (…) weil sie ihr Judentum praktizierten. Israel erkannte sie dennoch erst spät als Juden an. Zwei Jahre später organisierte Israel eine gigantische Luftbrücke, geradezu großen Spionageromanen würdig: die Operation Moses. (…) Zehn Jahre später ging ich auf der Suche nach denen, die ich in Äthiopien getroffen hatte, in die Containersiedlungen der Vororte Tel Avivs. Dank der Fotos aus meinem ersten Film fand ich sie wieder, einen nach dem anderen. Sie erzählten mir von ihren Schwierigkeiten, sich in das Land, wo »Milch und Honig fließt«, aber wo man vergißt die Thora zu studieren, zu integrieren. Ich sah ihre Kinder, junge schwarze Israelis, die die Geschichte ihres Volkes lernen, die des jüdischen Volkes. Zehn Jahre später ist dies eine Geschichte von Menschen, die mit ihrer Vergangenheit konfrontiert werden – mit sich selbst. Zwei Welten und zwei Gesellschaften, die nicht in der gleichen Zeit existieren (…)«
(François Margolin, 1996)

THE INNER TOUR

THE INNER TOUR, eine israelisch-palästinensische Koproduktion, beschreibt die Reise einer Gruppe von Palästinensern aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen durch Israel. Die Teilnehmer dieser Besichtigungsreise erkunden ein Land, das für sie verlorene Heimat und zugleich Besatzungsmacht ist. Der Film stellt Geschehnisse zusammen, die auf den einzelnen Stationen dieser Reise gefilmt wurden. Er versucht, ein menschliches, politisch differenziertes Bild der Palästinenser und ihrer Erfahrungen zu vermitteln und – durch die Augen der Reisenden – einen anderen Blick auf Israel zu werfen. 

Dieser Film besteht aus ganz anderem Material als jene Bilder vom nahöstlichen Schauplatz, die wir dieser Tage in den Medien sehen müssen. Durch das Fenster des Reisebusses erhalten die Zuschauer die Gelegenheit zu einem Blick auf die palästinensische Gesellschaft, der komplexer ist als die Bilder von Massendemonstrationen, von Steinewerfern und Begräbnissen, die in Aufstände ausarten. Der Film handelt von einem Augenblick der Freiheit und spricht zugleich von einer langen Gefangenschaft. Er verwendet eine visuelle Metapher, nämlich die des Touristen als staatenlosem Ausländer und Emigranten, um einem Volk, das sich in eine unsichtbare Masse verwandelt hat, einen Spiegel vorzuhalten. 

Am Ende der dreitägigen Reise voller angenehmer Eindrücke, schwieriger Begegnungen und Wechselbädern der Gefühle versuchen die Teilnehmer dieser »Reise ins Innere«, das Gesehene, ihre Impressionen und Empfindungen zu verarbeiten. Vielleicht wird diese Reise niemals wirklich Jerusalem erreichen, und Jerusalem wird immer die ferne »Stadt auf den Hügeln« bleiben. 

Ra’anan Alexandrowicz, geb. 1969 in Jerusalem, schloss 1996 sein Studium an der Filmschule Sam Spiegel in Jerusalem ab. Filme: SELF CONFIDENCE Ltd. (1996); ANSAR (1998); THE FAR SIDE OF THE TRACKS (1999); MARTIN (1999).

PURITY

Sechs Wochen nach der Geburt Abigails, unserer fünften Tochter, bin ich immer noch unrein. Niemand darf mich berühren, nicht einmal die Spitze meines Kopfes. Die Torah bezieht sich nicht nur auf Blutungen nach der Geburt, sondern auch auf monatliche Blutungen. Und jeden Monat bis die Blutungen aufhören, bis die Unreinheit aufhört, bin ich unberührbar. Seit 2000 Jahren gehen Frauen zur Miqveh, vollziehen das Ritual der “Tahara”-Reinigung. Seit 2000 Jahren eine stille Verpflichtung. Immer nachts. In der Dunkelheit. Um nicht gesehen zu werden. 

Auch ich tue das.” So beginnt Anat Zurias Auseinandersetzung mit einer der Grundfesten des orthodoxen Judentums, der Tharat Hamishpaha - der Reinheit der Familie. Zuria und ihre Freundinnen, Natalie, Katie und Shira sprechen über ihre Sicht zu den rigiden Regeln, denen das Zusammenleben von Mann und Frau unter strenggläubigen Juden unterworfen ist. Im Mittelpunkt ihrer Geschichten steht die Vorstellung von “nidda”, der spirituellen Unreinheit der Frau während einer Periode von 10 bis 12 Tagen, an denen sie nicht berührt werden darf und der “Miqveh” - das rituelle Bad. Die Offenheit der Erzählerinnen bricht ein 2000 Jahre altes Tabu des Schweigens. Der Film zeigt die inneren Konflikte der Frauen zwischen der Aufrechterhaltung ihrer Tradition, ihren persönlichen Bedürfnissen und den strengen Vorschriften ihrer Religion. Ein Thema, welches noch selten in einem Film aufgearbeitet worden ist. 

Preise: Bester Dokumentarfilm, Jerusalem International Filmfestival 2002; Beste Regie, One World Festival, Prag 2003; ausgezeichnet als “Besonderer Dokumentarfilm” beim Dokumentarfilmfestival München, Mai 2003. 

Anat Zuria hat Kunst und Kommunikation studiert. Als Schriftstellerin arbeitete sie vor allem über Kunst und jüdische Religion. Ihre eigenen künstlerischen Arbeiten wurden in angesehenen Galerien in Israel und auch im Ausland gezeigt. Sie lehrt Regie an der Maa’le Film School, in Jerusalem. 

MURMAUER – WALL

MUR führt den Zuschauer an die größte Baustelle Israels und zeigt Menschen, Israelis und Palästinenser, die inmitten des ohrenbetäubenden Lärms der Bulldozer der Logik des Krieges trotzen. “Ich wollte den Entstehungsprozess dieser Mauer zeigen, diesen historischen Moment festhalten, wenn sie empor wächst, wenn man begreift, dass die Mauer keine Idee mehr ist, sondern Realität”, sagt die israelische Filmemacherin Simone Bitton. Ihr Film ist ein historisches Dokument, denn er zeigt die Errichtung der Mauer, die betonierte Wirklichkeit. Und er ist ein Versuch die Realität des Alltags begreifbar zu machen. “Ich habe den Eindruck, dass die Realität des Alltags immer wahnwitziger wird, ohne jede Logik. Aber der Mauerbau ist der Höhepunkt des Wahnsinns. Wie kann man nur auf diese verrückte Idee kommen, eine Mauer könnte die Lösung sein? Ich dachte damals: Jetzt 43 sind sie verrückt geworden.” MUR ist ein beeindruckendes Zeugnis, eine filmische Meditation über Menschen und Landschaften. Am Ende begreift man, was die Mauer anrichtet. 

Preise: Spirit of Freedom Award, Jerusalem Film Festival; Marseilles International Documentary Film Festival 2004; Pezzaro Film Festival 2004 

Simone Bitton, geboren 1955 in Marokko, emigriert nach Israel und geht später zum Filmstudium nach Frankreich. Ihr filmisches Werk setzt sich mit aktuellen politischen Themen und der Geschichte und den Kulturen Afrikas und des Mittleren Orients auseinander. Filme u.a.: OUM KALSOUM (1993); CONVERSATION NORD-SUD, DANY-SANBAR (1993); L’ATTENTAT (1998); MUR (2004).