Das Leben im indischen Dorf Piparsod - aus der Sicht eines französichen Filmemachers.
Three Times Piparsod: Life in an Indian Village
Die Idee des kulturellen Austausches war das tragende Moment: zwei Filmemacher, ein Inder und ein Franzose, sollten ihren ganz persönlichen Blick auf das gleiche Objekt werfen dürfen. Die gleichen zeitlichen und technischen Voraussetzungen galten für beide…
Der Blick des Fremden bleibt an der Oberfläche der Dinge haften, er beschreibt die Erscheinungen, wie sie sich ihm beim ersten Blick darstellen, ohne Vorbereitung, ohne Kenntnis der Sprache; die Kamera wird dabei zum Instrument dieser Entdeckung und ‚naiven‘ Inszenierung – vergleichbar der Kamera Albert Kahns Anfang des Jahrhunderts. Zwei Kulturen treffen sich vor und hinter diesem ‚mechanischen Auge‘, am Nullpunkt einer kinematografischen Sprache. Raymond Depardon, Reporter, Fotograf und großer Filmemacher des cinéma direct, übernimmt diese schwierige Rolle. Eine einheimische Sicht zeigt auf der anderen Seite Saeed A. Mirza, der mit den Realitäten des indischen Lebens vertraut ist und sich gleichzeitig als sozialkritischer Filmemacher einen Namen machte. (Pascal-Emmanuel Gallet)
„Indien, das sind die Dörfer“, wie Nehru sagte. Die Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt auf dem Dorf – ein Grund für das Thema des Projekts - und speziell dieser Ort wurde zum damaligen Zeitpunkt von dem Ethnologen Jean-Luc Chambard schon seit mehr als 20 Jahren erforscht. Dort entstand 1961 der klassische ethnografische Film KALAVATI, der zum Bestandteil der Trilogie wurde. 1980 veröffentlichte Chambard außerdem den “Atlas d’un village indien – Piparsod, Madhya Pradesh“. Weiterhin war die Fotografin Marie-Laure de Decker an dem Projekt beteiligt.
Zu Gast: Pascal-Emmanuel Gallet, Responsable du Ministère des Affaires Étrangères (1982)
PIPARSOD I
Indien, Frankreich 1982 / 26 Min. / BetacamSP / OF
Regie, Kamera, Ton: Raymond Depardon; Schnitt: Elisabeth Kapnist; Produktion: Cellule d’Animation Culturelle du Ministère des Relations Extérieures, Paris
Raymond Depardon
geboren 1942, ist einer der bedeutendsten französischen Fotografen und Filmemacher. Er war Mitbegründer der Fotoagentur Gamma, 1978 wechselte er zu Magnum. Neben seinen Dokumentarfilmen drehte Depardon auch einige Spielfilme. Seine Fotografien und auch Videoinstallationen wurden in zahlreichen Galerien weltweit ausgestellt. Er erhielt zahlreiche internationale Foto- und Filmpreise, u.a. 1973 die Robert Capa Gold Medal, 1991 den Grand Prix National de la Photographie, 2000 den Prix Nadar. 2007 produzierte er zum 60. Jubiläum der Filmfestspiele von Cannes die Anthologie CHACUN SON CINEMA.
Zahlreiche Kurzfilme, Langfilme u.a. REPORTERS (1981), SAN CLEMENTE (1982), FAITS DIVERS (1983), LES ANNEES DECLIC (1984), EMPTY QUARTER (1984-85), LA CAPTIVE DU DESERT (1990), DELITS FLAGRANTS (1994), UN HOMME SANS L’OCCIDENT (2003), PROFILS PAYSANS: L’Approche (2000), Le Quotidien (2005), La Vie Moderne (2008).
PIPARSOD II
Indien, Frankreich 1982 / 27 Min. / 16mm / OF
Regie: Saeed Akhtar Mirza; Kamera: Sunil Sharma; Ton: Rajan Rajkhowa; Schnitt: Elisabeth Kapnist; Produktion: Cellule d’Animation Culturelle du Ministère des Relations Extérieures, Paris
Saeed Akhtar Mirza
1943 in Bombay geboren, studierte am Film and Television Institute of India. Er wurde mit sozialkritischen Filmen bekannt und realisierte später die populären TV-Serien NUKKAD und INTEZAAR (1986, 1988). Mirza’s letzter Film NASEEM (1995) zeigte das Leben einer muslimischen Familie, als in dem Viertel eine große Moschee abgerissen wurde und Straßenunruhen herrschten. Der sehr politische Film wurde als Abgesang auf die friedliche Ko-Existenz der Religionen in Indien verstanden und verboten.
PIPARSOD – KALAVATI OU L’ART D’ETRE FEMME EN INDE
Indien, Frankreich 1961 / 35 Min. / BetacamSP (von16mm) / OF
Regie, Kamera, Ton: Jean-Luc Chambard; Schnitt: Philippe Luzuy; Produktion: Comité du Film Ethnographique (CFE), S.E.R.D.D.A.V., Paris
KALAVATI zeigt das Leben der Frauen, das vor allem aus Arbeit besteht: Wasserschöpfen, Wäsche waschen, sich gegenseitig Haartrachten aus Zöpfen flechten, Früchte sammeln, Essen zubereiten. Dann wird ein Haus mit Lehm ausgebessert, Mauern und Hof glatt bestrichen und der Boden kunstvoll verziert mit weißen Ornamenten. Im letzten Drittel dokumentiert der Film zwei große Feste, bei denen die Frauen eine wichtige Rolle spielen: das Holi-Fest und die Messe zu Ehren einer Göttin.
Jean-Luc Chambard
Ethnologe und Professor für zeitgenössische indische Kultur am Institut National des Langues et Civilisations Orientales (INALCO) in Paris (1961-1997). 1980 erschien sein „Atlas d’un Village Indien – Piparsod, Madhya Pradesh“.