Anthropologische Filmarbeit: Gelernte Lektionen
Als Anfängerin auf dem Gebiet der Anthropologie zeichnete ich Menschen und bat Kinder, es mir gleich zu tun. Ich fotografierte und filmte auch mit 16mm. Das war 1970 im östlichen Niger. Nach meiner Rückreise hatte ich die höchsten Erwartungen und freute mich darauf, dem Publikum in Norwegen meine Eindrücke und Bilder vom Leben der Menschen in Niger zu vermitteln. Mit keiner Spur ahnte ich, was auf mich zukam: egal wie wunderschön eine Frau auf meiner Zeichnung oder meinem Foto aussah – das norwegische Publikum zeigte nichts als Mitleid.
Ich musste mich denselben Herausforderungen stellen wie Jean Rouch und Edgar Morin mit ihren Filmen in den 50er und 60er Jahren. Als Rouch LES MAÎTRES FOUS in Paris zeigte, sah das französische Publikum darin nur, dass die Afrikaner*innen wild waren und sich wie Tiere verhielten. Rouch’s Berater Marcel Griaule riet ihm von Vorführungen in Frankreich ab, und später verboten die Behörden den Film.
Edgar Morin sagte, dass Dokumentarfilme lügen und manipulieren, indem sie vorgeben, die Wirklichkeit, die Wahrheit zu zeigen - was fiktive Filme nicht tun. Einerseits ‘editiert’ der Filmemacher den Film; andererseits setzen die Betrachter*innen sich den Film erst selbst zusammen. (…) Trotz aller Fallen, in die man geraten mag, lernte ich auch, dass visuelle Geschichten ein unglaubliches Potential haben, Verständnis zwischen den Kulturen aufzubauen. Während meiner ganzen Laufbahn kämpfte ich dafür und suchte filmische Ausdrucksweisen, das Leben der Menschen transkulturell darzustellen.
In der Masterclass möchte ich zeigen, wie sich aus den Erfahrungen meiner anthropologischen Filmarbeit mein Denken über narrative Strategien von Film zu Film weiterentwickelte.