SIDDHESHWARI

Mani Kaul
Indien 1989 | 95 Min. | 35 mm

SIDDHESHWARI behandelt die Tradition der ‘Thumri’- Musik, die sich ‘Gandharva’ nennt, eine Huldigung an die himmlischen Musikanten von Indras Hof. Diese Tradition geht auch auf die Mahabaratha-Sage zurück. Der Film folgt keinem linearen Erzählmuster, sondern geht wie der Thumri’ verschiedenen Linien im Leben der Sängerin Siddeshwari nach: ‘Siddhi’ als junges Mädchen im Haus ihrer Tante, ihre ersten Gesangsversuche, ihr leidenschaftliches und stilles Engagement beim Unterricht durch ihren Lehrer. Weil sie es wagt, Fragen zu stellen, wird sie aus dem Haus ihrer Tante in die Straßen von Benares gejagt, der großen heiligen Stadt. Im Haus ihres Lehrers findet sie Aufnahme, setzt ihren Unterricht fort und findet Anerkennung als große Sängerin. Ihre Stimme verdichtet alle Entbehrungen der Kindheit, den Schrecken und auch die Schönheit von Benares, zu einer im ‘Thumri’ bis dahin nicht gekannten Musik. Ihr halbes Leben bleibt Siddheshwari heimatlos, singt, kocht und gibt demütig jedem, der über ihre Türschwelle tritt. Als sie stirbt, hinterläßt sie eine Ausdruck gewordene Leidenschaft, die die Mannigfaltigkeit des Lebens feiert.
(20. Internationales Forum des Jungen Films, Berlin 1990)

In SIDDHESHWARI versucht Kaul, die besondere Form von ‘Angst’ zu zeigen, aus der ihr Thumri’-Gesang entsteht. Die bewegte Komposition der Bilder von den gewundenen Gässchen in Benares korrespondiert mit den anmutigen Schleifen des Gesangs. Kauls Sache ist es nicht, unbedeutende naturalistische Details hervorzuheben, die einen Teil der Umgebung seines Künstler-Themas ausmachen. Im Gegenteil vermeidet er geflissentlich die verkürzende Darstellungsweise angeblicher ‘Authentizität’. Er behandelt seine Filme wie magische Mandalas. (Arun Khopkar, in: Cinema in India, OkUNov 1989)