Sherko Fatah – Im Grenzland

Sherko Fatah, geboren 1964 in Ost-Berlin, aufgewachsen in beiden Berlins, Wien und zeitweise auch dem Irak und frisch gekürter Chamissopreisträger, gehört schon seit Jahren zu den profiliertesten Vertretern der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. In einer trotz ihres Realismus eigentümlich poetischen Sprache erzählt er von einem Geschehen abseits der gewohnten Schauplätze. Seit seinem Debutroman ‚Im Grenzland‘ (2001) schickt der Sohn eines irakischen Kurden und einer Deutschen seine Figuren immer wieder auf Erkundungsgänge in den von Krieg, staatlicher Repression und Terror zerstörten Norden des Irak, stellt aber auch immer wieder eine Verbindung nach Deutschland her. Wenn sich der irakische Schauplatz dabei als ein Grenzgebiet in vielfacher Hinsicht erweist, so fallen die Geduld, Behutsamkeit und poetische Genauigkeit ins Auge, mit der sich Fatah diesem Gebiet annähert. Weit davon entfernt, die Rolle des eingeweihten Informanten zu übernehmen, der uns über die Verhältnisse vor Ort in Kenntnis setzen würde, thematisiert er gerade deren Unzugänglichkeit – ohne doch auf den Versuch, zu verstehen, Verzicht zu tun. Seine Texte sind gekennzeichnet von einem tiefen Respekt gegenüber dem Anderen, Fremden, dem sie sich jenseits einfacher politischer Erklärungen und wohlfeiler moralischer Urteile anzunähern suchen.

Fatahs 2008 erschienener Roman ‚Das dunkle Schiff‘ erzählt die Geschichte des Irakers Kerim von seiner Kindheit und Jugend während des Krieges und einer Zeit als islamischer ‚Gotteskrieger‘ über die dramatische Flucht nach Europa bis hin zum Aufenthalt in Berlin, wo er zum Opfer jenes Extremismus wird, den er selbst bereits hinter sich gelassen hatte. Wie viele Protagonisten Fatahs ist auch Kerim ein ausgesprochen gemischter Charakter, der Einfühlung erlaubt, ohne doch als Identifikationsfigur zu taugen und der immer auch etwas Undurchsichtiges behält. ‚Das dunkle Schiff‘ ist ein nachdenkliches, von philosophischen Reflexionen durchzogenes Buch, das die eigentlich abenteuerliche Geschichte als Teil einer alltäglichen Welt präsentiert und den Entstehungsbedingungen religiöser Militanz nachspürt, ohne mit einfachen Erklärungen aufzuwarten.
(Hansjörg Bay)

Sherko Fatah liest im Rahmen unseres Schwerpunktes zu globaler Migration und Flucht aus seinem Roman ‚Das dunkle Schiff‘. Die anschließende Diskussion moderiert der Literaturwissenschaftler Hansjörg Bay. Do., 14.05., 11:00 Kinosaal.

Eine Veranstaltung von freiburger film forum, Literaturbüro Freiburg und informationszentrum dritte welt (iz3w).