Die Entwicklung des palästinensischen Filmschaffens ist untrennbar mit der israelischen Besetzung verbunden. Nach der arabischen Niederlage im Sechstage-Krieg gegen Israel gründeten palästinensische Organisationen zuerst in Jordanien, später in Beirut und Tunis Filmabteilungen, deren Arbeit den Kampf um nationale Selbstbestimmung unterstützen sollte. Mit einfachsten Mitteln wurden Dokumentarfilme gedreht, die vor allem die Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern und die Kampfhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern zeigten. Im Dienst politischer Aufklärung, Propaganda und Information richteten sie sich sowohl an die Weltöffentlichkeit, als auch an die in weit voneinander entfernten Lagern lebenden PalästinenserInnen und bemühten sich um die Herstellung einer nationalen Identität. Auch heute noch kreist der palästinensische Film um den Konflikt mit Israel, der den Alltag aller Beteiligten überschattet und die ganze Gesellschaft durchdringt. Die filmische Gestaltung des Themas aber folgt seit Ende der 80er Jahre neuen ästhetischen und inhaltlichen Linien. Exil-PalästinenserInnen in Europa und den USA erlangten inzwischen auch international Aufmerksamkeit mit Filmen, die mit den Mitteln einer nicht mehr nur realistischen Ästhetik die Verhältnisse innerhalb der palästinensischen Gesellschaft kritisch beleuchten: die patriarchalen Bedingungen, die autoritären Strukturen oder die Aggressivität im Alltag.

Wir zeigen vier dieser Filme, die sich mit demselben Phänomen auseinandersetzen: dem Leben an und mit der Grenze. Sie erzählen von Menschen, deren Alltag geprägt, gegliedert und zerstückelt ist von Absperrungen und Kontrollen in den besetzten Gebieten und Israel. Tag für Tag müssen sie israelische Checkpoints und Straßensperren überwinden, um an ihren Zielort zu gelangen. Die Rituale des Wartens in der Schlange, die Kontrollen, die Schikanen und die Willkür der israelischen Besatzer, die Behinderungen und Zurückweisungen bestimmen das Lebensgefühl der GrenzgängerInnen. Doch trotz allem will ein Stück Normalität gelebt sein: Man überwindet am selben Tag mehrmals die israelischen Militärkontrollen, um zum Geliebten zu gelangen, oder bugsiert auf unwegsamen Hügeln ein kleines Wägelchen mit einem Filmprojektor von Ramallah nach Jerusalem, um palästinensischen Kindern mit einem lustigen Film eine Freude zu bereiten. Um ihrem Gegenstand gerecht zu werden, überschreiten die gezeigten Filme dabei auch ästhetische Grenzen. Während Elia Suleiman mit grotesken, satirischen oder surrealen Elementen arbeitet und beispielsweise einen Ballon mit dem Konterfei eines grinsenden Arafat über die verzweifelten Kontrollposten hinweg in die Heilige Stadt schweben lässt, reflektieren die Filme von Rashid Masharawi und Hany Abu-Asad ihre eigene Entstehung unter den Bedingungen der Grenze, indem sie die Fiktion mit quasi-dokumentarischen Mitteln erzeugen und die echten Panzer als Requisiten behandeln.
Neriman Bayram