GANDHI’S CHILDREN

David MacDougall
Indien 2008 | 185 Min. | DigiBeta, OmeU

Das ‚Praya’s Children House’, architektonisch ein monolithischer Block, der äußerlich eher einem Gefängnis gleicht, inmitten eines Armenviertels von New Delhi: hier leben 350 Jungen, die einen sind von zu Hause ausgerissen, andere sind von ihren Eltern in die Metropole geschickt worden, um zum Lebensunterhalt beizutragen, wieder andere sind Waisen, die auf und von der Strasse Delhis leben. Die Hälfte der Jungen steht unter polizeilicher Aufsicht, da sie schon mit der Justiz in Konflikt gekommen sind. 

Während vieler Monate folgt David MacDougall mit seiner Kamera diesen jungen Menschen, lässt sie ihren Alltag schildern und uns daran teilhaben. Dabei entstehen beeindruckende Porträts von Jungen, die trotz ihres teilweise erst kurzen Lebens, schon auf weitreichende Erfahrungen zurückgreifen können. Eines Tages werden 181 weitere Jungen eingeliefert, die allesamt aus einer wegen illegaler Kinderarbeit aufgelösten 53 Fabrik kommen. 

MacDougall klagt nicht an. Er nähert sich seinen Protagonisten über die Beschreibung ihres Alltags und es wird verständlich, wie sie in diese Situation gekommen sind und welche Rolle die staatliche Institution dabei hatte. Der Film zeigt auch welche Grenzen dem Kinderheim gesetzt sind. Die Kamera bewegt sich konsequent nur im Haus, durch weite Flure, Schlafräume, Wasch-und Arbeitsräume. 

David MacDougall: „Heutzutage besteht das, was wir im Fernsehen als Dokumentarfilme zu sehen bekommen, überwiegend aus Interviews und einigen anderen Einstellungen. Es ist sehr einfach, Filme zu machen, ohne zu untersuchen wie Menschen leben. Sie nur zu fragen, wie sie leben, reicht nicht aus. Diese enge Perspektive wurde meines Erachtens zu einer Art Formel des Dokumentarfilms. Zur Überwindung dieser Formel begann ich damit, nach anderen Aspekten sozialer Erfahrung zu suchen. Dabei versuche ich davon wegzukommen, alles nur mit Worten auszudrücken. Mich interessiert, wie Menschen mit ihrer Umgebung interagieren, sowohl verbal als auch nonverbal. “Soziale Ästhetik” resultiert daraus, eine Gemeinschaft als Umgebung zu betrachten, in der wir leben. Dies beinhaltet die verschiedensten Aspekte: Wie sich Menschen bewegen, wie sie ihre Gebäude bauen, welche Kleidung sie tragen, welche Rituale sie durchführen. Ich betrachte Gemeinschaften dabei als konstruierte Gesamtwerke, denen eine Autorenschaft zugrunde liegt und die historisch einem bestimmten Design folgen.“ – Auszug aus einem Interview mit David MacDougall geführt von Volker Kull (Der Kameramann 08/01).