Rassismus und soziale Konflikte
im nordamerikanischen Dokumentarfilm

Vor drei Jahren gab es beim Super Bowl einen kleinen Eklat, als in einem Coca Cola-Werbespot die inoffizielle zweite Nationalhymne der USA „America the Beautiful“ in verschiedenen Sprachen gesungen wurde.

Wir nennen unsere diesjährige Schwerpunktreihe nach der in Deutschland nicht so bekannten, weniger kriegerischen Hymne natürlich nicht aus patriotischen Gefühlen. Aber wir zeigen diese Filme auch nicht, um in das seit der Präsidentenwahl allgegenwärtige USA-Bashing mit einzustimmen. Die historischen und aktuellen Dokumentarfilme unserer Reihe zeichnen sich durch tatkräftige ProtagonistInnen, genaues Hinsehen, kritische Analysen und das Aufzeigen von Perspektiven aus. Sie dokumentieren die lange Tradition von sozialem Bewusstsein und Engagement, das immer schon dem Rassismus und konservativem Nationalismus entgegengetreten ist.

Bei der Auswahl standen Aspekte des Zusammenlebens verschiedener Kulturen für uns im Vordergrund. Der neue Film von Altmeister Frederick Wiseman über einen der buntgemischtesten Stadtteile New Yorks IN JACKSON HEIGHTS paart sich vielschichtig mit LOS SURES, einem historischen Gegenpart aus den 80ern, der den Alltag in einem karibisch dominierten Ghetto lange vor der Gentrifizierung einfängt. Raoul Pecks oscarnominierten Montagefilm I AM NOT YOUR NEGRO über James Baldwin und die Civil Rights Movement zeigen wir als Freiburger Premiere. Hierzulande nur auf wenigen Festivals gezeigt, präsentieren wir mit AN INJURY TO ONE und FREE LAND zwei in den USA viel beachtete unabhängige Arbeiten, die in ihrer konsequenten Machart beeindrucken. Beide im Ansatz essayistisch und doch grundverschieden – der erste Film greift den Fall eines Lynchmords an einem Gewerkschaftsführer im Jahr 1917 auf, der zweite fragt nach den Ursachen der Verarmung in der eigenen, teils indigenen Familiengeschichte.

Wir präsentieren die Reihe AMERICA THE BEAUTIFUL in Kooperation mit dem Robert Flaherty Film Seminar (New York), das seit 1955 besteht und dessen Programm mit über 3000 gezeigten Filmen eine umfassende Geschichte des unabhängigen Dokumentar- und Avantgardefilms wiederspiegelt. In den ersten Dekaden die besten Filme des Jahrgangs aufgreifend, reflektiert es die neuen Richtungen wie Neorealismus, Nouvelle Vague und Direct Cinema. Seit den 80er Jahren wird thematisch kuratiert. Die Spezialität des Seminars ist, dass das Programm im Vorhinein nicht bekanntgegeben wird – die Teilnehmenden sollen ohne Voreingenommenheit in die Vorführungen und Diskussionen gehen, ganz in der Tradition der Arbeitsweisen von Robert Flaherty. So wird das Seminar im besten Fall eine Art soziales Experiment und Legenden über die Flaherty experience kursieren.

John Gianvito, Filmemacher, Kurator (2003) und Mitglied des Flaherty Advisory Board, wird als unser Gast die Veranstaltungen begleiten und dem Publikum zum Gespräch zur Verfügung stehen. Außerdem wird er eine Masterclass halten und am Abschlusspanel zur Schwerpunktreihe teilnehmen.

In Kooperation mit Int’l Robert Flaherty Film Seminar (www.flahertyseminar.org) und dem Carl Schurz Haus, Freiburg. Wir danken John Gianvito, Anita Reher, Patricia Zimmermann, Scott MacDonald.