DUENDE

Über die gepflasterten Straßen Granadas wankt ein rot gekleideter Altar. Langsam tauchen die Füße der Menschen darunter auf; eine Gruppe Frauen, die wie ein eigener Organismus wirkt. In den benachbarten Häusern bereiten sich junge Männer auf ihren traditionellsten Tanz, den Flamenco, vor. Wir folgen dem Weg des beweglichen Altars, der die Faszination vieler Schaulustiger auf sich zieht.  

DUENDE nimmt uns mit zu den immersiven Momente eines der spektakulärsten und intensivsten rituellen Feste in Granada, Spanien: Die Osterwoche. Ein rhythmischer, sensorischer Film über eine außergewöhnliche Prozession, die Leben und Tod verbindet und eine Gemeinschaft, deren Glaube tief berührt.  

TOLYATTI ADRIFT

Tolyatti ist das russische Detroit. Früher galt Toljatti als Zentrum der sowjetischen Automobilindustrie, mit Vollbeschäftigung für alle und bescheidenem Wohlstand. Doch heute hinkt die Fast-Metropole dem einstigen Ruhm des AwtoWAS, des Wolga-Automobilwerks, hinterher und ist die Stadt mit der höchsten Jugendarbeitslosigkeit in Russland. Slava, Mischa und Lera halten sich mit schlechten Jobs über Wasser. Mischa hat in Westeuropa ein Praktikum gemacht, hätte auch in Russland die Aussicht auf einen guten Job – aber nicht in Tolyatti. Auch Lera denkt daran, ihre Heimatstadt zu verlassen. Slava schließlich spricht viel vor, findet aber kaum Arbeit. Außerdem soll er zur Armee eingezogen werden. Doch für das Schmiergeld zur Befreiung vom Wehrdienst ist er zu knapp bei Kasse. Also suchen sich die jungen Leute einen anderen, wagemutigen Zeitvertreib. Mit getuneten alten Ladas – womit sonst? – fahren sie im Winter über die in Tolyatti besonders breite, zugefrorene Wolga. Jugendlicher Wagemut trotzt dem Eis und Polizeikontrollen und ein eskapistischer Elan schlägt für einen Moment die Realität. (Kira Taszman) 

Laura Sisteró, 1986 geboren in Barcelona. 2012 erwarb einen Bachelor-Abschluss in Film an der ESCAC-Schule in Barcelona und spezialisierte sich auf Dokumentarfilmregie. Derzeit verbindet sie ihre Arbeit als Fotografin, Werbe- und Fernsehregisseurin mit eher persönlichen Spiel- und Dokumentarfilmprojekten. TOLYATTI ADRIFT ist ihr erster abendfüllender Dokumentarfilm und wurde u. a. auf dem Krakauer Filmfestival als bester Film über soziale Themen ausgezeichnet. 

 

THE LAST OF ARGANEO

Nach seinem Studium in Ponferrada beschließt der 24-jährige Edilberto Rodríguez mit einer Ziegenherde in die Berge zu gehen. Die Erinnerung an seine Großeltern ist noch sehr lebendig. Er ist stolz auf das Erbe seiner Vorfahren, die Traditionen unbesiedelter Orte und die Erinnerungen an eine Lebensweise, die vor dem Aussterben steht. 

David Vázquez hat als Ton- und Kameratechniker beim Fernsehen gearbeitet. Im Jahr 1998 war er Mitbegründer von Chantada Comunicación, einem der ersten lokalen Fernsehsender in Galicien. Filme u.a. AS ALMAS DO FENTAL (2009); ASOLAGOS (2013); NAROTE (2019). 

Regie, Montage: David Vázquez
Kamera: Humberto Novoa, David Vázquez

Violence is to charge 600 Euros - Public Land I

In den politischen Kämpfen von 2011 bis 2015 wird vor allem ein Slogan immer wieder auf die Wände Athens, Istanbuls und Madrids gesprayt: Wacht auf! Als Essay und Collage zeigt der Film Antworten im öffentlichen Raum auf eine Politik, die unter anderem zu Wohnungsmieten von 600 Euro in Betonblocks führt. Graffiti als Protestform wird dargestellt und vorgetragen wie auf einer Lesung und somit zu Reflektion und Vorwurf an die Öffentlichkeit.
Welche Öffentlichkeit und welcher öffentliche Raum -Welche Bilder, Sprache und Erzählung nutzen wir, um die Welt um uns herum zu verändern?

Violence is to charge 600 Euros - Public Land II

Schlagzeilen über die ökonomische und soziale Krise sowie den Mangel an Solidarität verkaufen sich nicht mehr: ihnen wird im öffentlichen Diskurs keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt. Der zweite Teil von Elena Friedrichs Reihe Public Land untersucht die Machtstrukturen, denen die Öffentlichkeit unterliegt, zwischen Information und Manipulation, Repräsentation und Kontrolle.
Der Film zeigt einen Mann, der Orangenkisten zur Küste transportiert und in seinem Autoradio Diskussionen zum Thema aus Athen und Madrid verfolgt. Auf der Fahrt begleitet uns die Frage, wie wir in Guy Debords „Gesellschaft des Spektakels“ alternative Erzählungen schaffen und am Leben erhalten können. 

MIMOUNE

Illegale“ Einwanderung ist nicht allein ein Problem unserer Gesellschaft. Nicht nur der Immigrant leidet an der sozialen Entwurzelung, der schwierigste Part dieses Problems ist die Trennung der Familien. Dieser Film entstand aus dem Wunsch die Familie von Mimoune Bensaada für einen kurzen Augenblick zusammenzubringen. Er lebt als Flüchtling in Spanien, seit Jahren getrennt von seiner Frau und seinen Kindern, die in Marokko zurückgeblieben sind. Ein lang gehegter Wunsch der Familie geht in Erfüllung, wenn auch nur mit Hilfe einer Kamera. 

Gonzalo Ballester, 1982 in Murcia, Spanien geboren. Er behandelt in seinen Kurz-und Dokumentarfilmen vor allem soziale Fragen. Filme: MUJTAR (2002), LA CÁMARA: TESTIGO DE LA REALIDAD, LA PERSIANA (2003), LOS INVASORES (2004), LA BODA (2006), LA SERENISSIMA (2006), EL ÚLTIMO PAISAJISTA (2007), THE MOLKY WAY ( 2008). 

THE CITY OF THE DEAD

Zwischen den Gräbern und Mausoleen des riesigen El Arafa Friedhofs in Kairo ist eine eigene Stadt entstanden. Etwa 1 Million Menschen leben hier, in der „Stadt der Toten“. Täglich werden viele Menschen beerdigt, während das Leben rundum weitergeht: ein junger Hirte treibt seine Schafe durch die schmalen Straßen, eine Marktfrau bietet ihre Wäschekörbe aus Plastik feil, zwischen den Grabsteinen lassen Kinder ihre Drachen steigen. Kein Respekt vor den Toten. Dafür gibt es ein gesundes Verhältnis zur Realität: in dieser Totenstadt haben die Lebenden und die Toten einen Pakt des Friedens geschlossen. Der Regisseur Sérgio Tréfaut beschreibt in seinem Film die verschiedenen Seiten des Lebens einer fremden Enklave. Wir schauen auf handbemalte Gräber und beobachten den Trubel eines Ortes, an dem die überwiegend arme Bevölkerung versucht, zu überleben. 

Sérgio Tréfaut, geboren 1965 in São Paulo, Brasilien. Filmemacher, Produzent, Schriftsteller. Filme: FLEURETTE (2002), LISBOETAS (2005), THE CITY OF THE DEAD (2009).

(Self)Exhibitions

Am I pretty?” When asked online, this banal question opens up a loop of found- footage videos uploaded by teenagers all over the world on the internet. Though the identical dramaturgy of dozens of these videos put together seems amusing at first sight, it intensifies the impression of a deeply alienated mode of self-exposition defined by the specific aesthetics of tutorials, online diaries and confessional videos. While repetitive in genre codes, this mash-up is no longer the representation of individual stories, but gives a condensed picture of current practices of self-exposition, juvenile insecurity and the need for permanent recognition in the Web 2.0.

Wilaya

Fatimetu, Kind einer Sahraui-Familie, wird in einem Sahara-Flüchtlingscamp in Algerien geboren und später als kleines Mädchen zu Gasteltern nach Spanien geschickt. Nach dem Tod ihrer Mutter kehrt sie in das Camp zurück. 16 Jahre sind vergangen. Der Bruder erwartet, dass sie bleibt und sich fortan um ihre gehbehinderte Schwester Hayat kümmert. Fatimetu, die im Gegensatz zu den anderen Frauen Auto fahren kann, transportiert Tiere, Fleisch und Brot von einem Verwaltungsbezirk zum anderen. Nach und nach scheinen sich die Sahraui an die Frau zu gewöhnen, die unverhüllt in ihrem gebrauchten Jeep durch den Wüstensand saust. Doch Fatimetu ist hin- und her gerissen zwischen dem Leben in der Wüste und den Erinnerungen an Familie und Freunde in Spanien.

Die maurische Volksgruppe der Sahraui wartet in Algerien noch immer auf ein Referendum, das ihren völkerrechtlichen Status definiert. In poetischen, konzentrierten Bildern zeigt der spanische Regisseur Pedro Pérez Rosado in seinem Spielfilm viel mehr als nur die Wiedervereinigung zweier Schwestern oder den Zusammenprall unterschiedlicher Kulturen: Er lässt Darsteller aus der Sahara selbst von ihrer politischen und gesellschaftlichen Situation erzählen. Berlinale 2012