MENSCHEN IM BUSCH

Anfang Juli 1929 bricht eine junge Frau an Bord eines Woermann-Dampfers nach Afrika auf, um eine Filmexpedition an der Goldküste zu organisieren und zu leiten. Die junge Frau – Gulla Pfeffer – will Ethnologin werden und bei den Fulbe in Nigeria forschen. Um die Reise finanzieren zu können, nimmt sie das Angebot des Filmexperten Friedrich von Dalsheim an, eine Expedition nach Togo auszurüsten und zu führen.

Ähnlich wie bei der Tier- und Expeditionsfilmerin Lola Kreutzberg wird dieses Ereignis in der Öffentlichkeit erstaunt und verwundert wahrgenommen. Schließlich war es zu dieser Zeit äußerst ungewöhnlich, dass eine Frau in Eigenregie fremde Erdteile erforscht und für diesen Zweck eine eigene Expedition rekrutiert. Die Idee zu diesem Film hat Gulla Pfeffer entwickelt und das Drehbuch gemeinsam mit Friedrich von Dalsheim geschrieben. Die ersten Aufnahmen entstanden an der Küste Togos bei den Kru-Einwohnern. Da die Küstenbewohner jedoch nicht dem Bild des »unberührten Afrikas« entsprachen, musste ein Dorf gefunden werden, das identisch mit den Vorstellungen der Europäer war. In Chelekpe, einem Dorf am Fuße des Adaklu-Berges fanden Pfeffer und Dalsheim schließlich den idealen Drehort bei dem Ewe-Volk. Der Film wurde innerhalb von sechs Wochen abgedreht. Im Januar 1930 fuhr das Filmteam wieder zurück nach Deutschland, um die Postproduktion des gedrehten Materials fertigzustellen.

Zu dieser Zeit war der Markt bereits von Afrika-Filmen überschwemmt, sodass der Film schon etwas Besonderes vorweisen musste, um auf dem Markt bestehen zu können. Der Tonfilm hatte sich zumindest beim Spielfilm endgültig durchgesetzt und begann sich im dokumentarischen Bereich ebenfalls langsam zu etablieren.

Melophon, eine Tochtergesellschaft von Tobis, unternahm den Versuch, den Film nicht nur nachträglich zu synchronisieren, sondern tondramaturgisch zu gestalten. Diese schwierige und interessante Aufgabe übernahm der damals bekannte Cutter Hans Oser, der für die Montage großer Spielfilme verantwortlich war. Er entwickelte ein erstaunliches Tonkonzept und montierte die Szenen zu einem ungewöhnlichen Film. Mit der musikalischen Aufbereitung afrikanischer Instrumente aus dem Hamburger Völkerkundemuseum sollte eine möglichst authentische Atmosphäre erreicht werden. Dalsheim und Pfeffer erzählen die Alltagsgeschichte einer Familie, die an die Erzählstruktur von Flaherty erinnern und auch einen Einfluss von André Gide erahnen lassen. Wie ein Fremdkörper wirkt dabei der 1. Akt, der weder bild- noch tondramaturgisch noch inhaltlich sich dem restlichen Film anfügt. Hier spricht mit unverwechselbarem kolonialistischen Duktus der ehemalige Gouverneur von Togo Friedrich von Mecklenburg. Kontrapunktisch zu seinen einführenden Worten spricht ein Ewe (lippensynchron!) über das Leben in seinem Dorf. Und das ist ungewöhnlich – für diese Zeit!
Gerlinde Waz